Der nächste Schritt zur Charakterisierung unserer DNA

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Zwischen Molekularbiologie und Medizin
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Ich lasse mal eben den imaginären Champagner-Korken knallen *plooooong*. Zu feiern gibt es nämlich den Start des sogenannten "Epigenom-Projekts" bei dem die chemischen Modifikationen der DNA untersucht und kartiert werden sollen, wie es damals ähnlich bei der Sequenzierung des Humangenoms der Fall war. Ich würde es daher als Nachfolgerprojekt beschreiben, da es der nächste sinnvolle Schritt ist unser Erbgut zu charakterisieren.

Aber worum geht es genau? Jeder dürfte schon mal etwas vom Begriff der "Epigenetik" gehört haben, ergo, die Vererbung von Merkmalen außerhalb der Bausteine der DNA. Die Form und Funktion von Proteinen wird unseres Wissens nach hauptsächlich in Form von Genen weitervererbt, aber dieser genetische Code kann erweitert werden. DNA-Bauteile können nämlich außerhalb der Doppelhelix modifiziert werden. So sorgen u.a. chemische Modifikationen wie Methylierungen oder auch Acetylierungen dafür, dass die DNA verändert wird, so dass betreffende Genregionen anders abgelesen werden. Nun gut, völlig neue Proteine und Proteinfunktionen entstehen nicht wirklich, vielmehr sind die Konsequenzen solcher Modifikationen das bestimmte Gene zu unterschiedlichen Zeitpunkten an- und ausgeschaltet werden und dadurch andere Merkmale ausgeprägt werden können. Zellen verhalten sich also anders, wenn sie ihre Gene zu bestimmten Zeitpunkten an- und ausschalten.
Es gibt schon zahlreiche Beispiele wo genau dies der Fall ist. Schaut man sich z.B. Gene während der Embryonalentwicklung an, so kann man erkennen, dass z.B. Gene die für das Wachstum verantwortlich sind und die vom Vater kommen, anders reguliert werden als die gleichen Gene, die von der Mutter kommen. Dieses Phänomen ist als "genetische Prägung" bekannt und da wir immer ein Gen in doppelter Ausführung in den Körperzellen besitzen, ist die Prägung dafür verantwortlich, dass Gene unterschiedlich abgelesen werden, je nachdem ob sie eben von der Mutter oder vom Vater stammen. Der Vater hat hierbei das darwin´sche Interesse, dass seine Nachkommen möglichst groß werden und so sorgen seine Wachstumsgene, dass seine Kinder in die Höhe schießen. Das ist aber lange nicht gut für sie, da sich entwickelnde Embryonen nur begrenzte Ressourcen im Mutterleib zur Verfügung haben. Die Wachstumsgene der Frauen sind also darauf auf das Wachstum des Embryos so zu regulieren, dass die Ressourcen der sich entwickelnden Eizelle ausreichen. Gleiche Gene werden also anders reguliert, was in unterschiedlichen Funktionen mündet.

Verantwortlich für solche Mechanismen sind oben erwähnte Methylierungen, dir vor allem an DNA-Bausteinen vonstatten gehen, die den Genen direkt vorgeschaltet sind. Diese nennt man "Promotoren" und ihnen ist es zu verdanken, dass ein Gen überhaupt erst abgelesen werden kann. An ihnen binden nämlich Enzyme, die die DNA schlussendlich abfahren und so Proteine produziert werden können. Pomotoren enthalten in der Regel zahlreiche Cytosine – dies ist einer von insgesamt vier Bausteinen der DNA – und sind häufig das Ziel solcher Methylierungen, wodurch Promotoren abgeschaltet werden und ein Gen nicht mehr abgelesen werden kann. Ganz einfach dadurch, da keine Ablese-Enzyme mehr daran binden können. Nun wurde ein Gen stillgelegt und eine Zelle wird in ihrem Schicksal und Verhalten beeinflusst. Schuld daran ist nicht die Veränderung der DNA-Sequenz, sondern die Modifikation dergleichen.

Acetylierungen hingegen sorgen nicht für ein Abschalten von Promotoren, sondern für eine Auflockerung des Chromatins. Chromatin ist die Struktur und Form in der die DNA in unseren Zellen aufgerollt und verpackt ist. Daran beteiligt sind Proteine die Histone heißen. Um sie ist die DNA gewickelt und wenn sie aufgewickelt ist, können an ihr schlecht Enzyme binden, die zum Ablesen der Gene gebraucht werden. Hier kommen nun Acetylierungen ins Spiel, durch die Histone chemisch so modifiziert werden, dass die DNA lockerer verpackt ist und daraufhin abgelesen werden kann.

Methylierung und Acetylierungen sind also Mechanismen die die Genregulation aktiv beeinflussen. Dies hat dann meistens zur Konsequenz, dass in Zellen bestimmte Proteinkonzentrationen auf- oder abgebaut werden, was mehrere Auswirkungen auf eine Zelle haben kann. So kann sie z.B. durch eine hohe Proteinkonzentration X dazu gebracht werden sich in einen anderen Zelltyp zu differenzieren oder eine niedrige Proteinkonzentration sorgt dafür, dass Stoffwechselwege nicht mehr korrekt durchgeführt werden, wodurch beispielsweise eine Krankheit entstehen kann. Differentielle Genexpression hat also fast immer unmittelbar mit einem Merkmal zu tun, welches eine Zelle ausprägt, eine andere gleiche Zelle zum selben Zeitpunkt aber nicht.

Das Humangenomprojekt hat uns ermöglicht unsere DNA zu entziffern. Das Epigenomprojekt wird uns helfen die Modifizierungen unserer DNA zu entziffern. Wird also wieder ein Paradigmenwechsel in der biomedizinischen Forschung folgen wie es damals 2001 der Fall war?

Schwer einzuschätzen, da bei diesem Projekt erst einmal nur blutbildende Zellen untersucht werden sollen. Um aber einen gesamten Überblick über DNA-Modifikationen zu erlangen, müsste man weitere Zelltypen derart analysieren. Aber nun erstmal einen Schritt nach den anderen machen. Interessante Entdeckungen werden sicherlich gelingen.

 
 
 
 



Hier geht es zur Homepage des Projektes, welches sich "Blueprint-Epigenome" nennt.

 

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Sebastian Reusch ist Naturwissenschaftler und studierte Biologie mit den Schwerpunkten Zell- und Entwicklungsbiologie, Genetik und Biotechnologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Danach arbeitete er am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin an molekularbiologischen Prozessen des Immunsystems. Derzeit promoviert er am IRI Life Sciences der Humboldt-Universität zu Berlin an grundlegenden Fragen der Zellbiologie und Biochemie des Tubulin-Zytoskeletts in Stammzellen. Seine Schwerpunktthemen hier im Blog sind Molekularbiologie und Biomedizin. Twitter: @MrEnkapsis

1 Kommentar

  1. Es ist vor allem dringend notwendig, die Rolle, die Orte im humanen Genom und die Stabilität von DNA G-Quadruplexen genau zu charakterisieren. Denn das sind die wahren ‘Hintermänner’ von praktisch sämtlichen epigenetischen Mechanismen. Bisher sind nur ein paar wenige etwas genauer charakterisiert worden, die meisten davon in Promoterregionen der Gene von Wachstumsfaktoren. Ich vermisse sehnlichst ein Projekt zur genaueren Charakterisierung von G4-DNA. Promoten sie das doch einmal als junger Wissenschaftler. Ich bin leider zu alt und schon seit einiger Zeit raus aus der Forschung, sonst würde ich das auf jedem Symposion propagieren.

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