Passt in keine Schublade: Ein mysteriöser fossiler Meteorit

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
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Wenn die ganze Zeit Zeugs aus dem Weltraum auf die Erde herabregnet, wo sind dann eigentlich die ganzen fossilen Meteorite ? Das ist so ein Argument, welches gerne auch von Kreationisten vorgebracht wird. Ein Grund für den Mangel an fossilen Meteoriten ist ganz einfach, dass Meteorite eben auf der Erde nicht sonderlich stabil sind. Sie entstanden zumeist in einer Umgebung, die nicht so oxidierend wie unsere Erde ist. Ein kohliger Chondrit würde nicht viele Regenschauer in erkennbaren Zustand überstehen, und in geologischen Zeiträumen rosten selbst Eisenmeteorite Schicht für Schicht weg. Auch Meteorite, die in trockenen Wüsten gefunden werden, sehen nach ein paar zehntausend Jahren schon sehr unansehnlich aus. Ein paar Millionen Jahre, und da ist nicht mehr viel übrig.

Davon abgesehen, gibt es sehr wohl fossile Meteorite – wenn halt die Umgebung mitspielt. Und das war der Fall in Thorsberg im heutigen Süd-Schweden. Der dortige feinkörnige Kalkstein ist ein sehr beliebtes Baumaterial, und bildete sich auf Ozeanboden unter Sedimentationsraten von wenigen Millimetern pro 1000 Jahren. Da eben große Mengen abgebaut werden, werden praktischerweise größere Volumen an Gestein zugänglich, so dass bisher um die 100 fossile Meteorite wurden gefunden, 98% aller bekannten fossilen Meteorite. Der Kalkstein entstand während des Ordoviziums, lange her – 470 Millionen Jahre. Deshalb sind die fossilen Meteorite praktisch vollständig alteriert, sie bestehen eigentlich nur noch aus Tonmineralen und Karbonaten. Nur die robusten Chromite haben überlebt, und deren die Zusammensetzung (chemisch und isotopisch) erlaubt in etwa Identifikation des Meteoritentypen. Nicht so toll wie in Laborstudien von besser erhaltenen Proben, aber in dem Fall gibts halt nix besseres.

Als die Meteorite vor 470 Millionen Jahren in einer Spanne von 2 Millionen Jahren fielen, war die Gesamtmenge an extraterrestrischem Material welches auf die Erde fiel, hundertfach größer war. Dies wird bestätigt durch zahlreiche Mikrometeorite, die in ähnlich alten Schichten gefunden werden.

Die meisten Meteorite sind vom unspektakulären Typ der gewöhnlichen L-Chondrite. Die gewöhnlichen Chondrite insgesamt machen 85% der bekannten Proben aus, deshalb eben der Name. Aber jetzt wurde in Schweden ein fossiler Meteorit gefunden, der aus der Reihe tanzt. Vor zwei Jahren wurde er erst mal als Winonait klassifiziert. Das sind primitive Achondrite- Achondrite sind Meteorite, die von teilweise oder vollständig aufgeschmolzenen Mutterkörpern stammen, die dann nach der Abkühlung einen Eisenkern und silikatreiche Mäntel und Krusten aufwiesen, also praktisch Kleinplaneten. Primitive Achondrite fallen irgendwie zwischen Chondrite und Achondrite – sie sind ersteren chemisch ähnlich, wahrscheinlich entstanden sie durch die Teilaufschmelzung von Chondriten.

Jetzt haben sich Birger Schmitz (Universität Lund, Schweden) und seine Kollegen in A new type of solar-system material recovered from Ordovician marine limestone in Nature Communications (das ist nicht das eigentliche Nature, sondern ein Open-Access Ableger) die Probe nochmal genauer angeschaut und sind zu einem anderen Schluss gekommen. Und der hat es ins sich: Österplana 065 (Öst 65) passt zu keiner bekannten Meteoritengattung so richtig. Jetzt ist es nicht so, dass alle Meteorite genau in eine Schublade passen – es gibt einige die irgendwie aus der Reihe tanzen, die ungruppierten Meteorite. Das hört sich erst mal mysteriöser an als, es im Allgemeinen ist. Meteorite formen eher ein Kontinuum an Zussammensetzungen, und die bekannten Gruppen sind so was wie Abschnitte daraus. Irgendwie müssen die Teile halt sortiert werden. Schubladendenken eben.

So haben jetzt neue Untersuchungen der Isotope von Sauerstoff und Chrom ergeben, dass Österplana 065 von den Isotopenwerten her statistisch signifikant außerhalb der bisherigen bekannten Werte fällt. Die Schlussfolgerung von Schmitz et al. ist jetzt, dass der Meteorit möglicherweise den Impaktor repräsentiert, der damals mit dem Mutterkörper der gewöhnlichen Chondrite kollidierte. Könnte, weil es sich natürlich auch um einen zufällig zur gleichen Zeit gefallenen Meteoriten handeln könnte. Immerhin, es ist mal was anderes, das ist auch schon mal interessant. Es deutet sich zumidest an, dass unsere Sammlunge halt nicht völlig repräsentativ für den Materialbestand des Sonnensystems sind  (was ja eigentlich auch nicht zu erwarten wäre). Wie auch im Paper erwähnt, haben wir möglicherweise nicht mal Meteorite in den Sammlungen, die das eigentliche Baumaterial der Erde repräsentieren. Aber das ist sicherlich einen eigenen Artikel wert… So sind Studien fossiler Meteorite wichtig, da sie uns Einblicke in die Veränderungen im frühen Sonnensystem geben. Und so endet der Artikel mit den passenden Zeilen: “Apparently there is potential to reconstruct important aspects of solar-system history by looking down in Earth’s sediments, in addition to looking up at the skies“.

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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