Chemie-Nobelpreis 2015 – Die Kandidaten

Update: Der Preis ging tatsächlich an ein Biothema, aber an eines, das die meisten nur am Rande auf dem Schirm hatten: Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar bekommen den Nobelpreis für Chemie 2015 für ihre Arbeiten über drei wesentliche Mechanismen der DNA-Reparatur. Für Spektrum habe ich aufgeschrieben, was im Detail dahinter steckt und was das mit unter anderem Krebs und Altern zu tun hat.

Die Hauptverdächtigen für den diesjährigen Nobelpreis in Chemie zu benennen, ist entweder sehr einfach – oder aber besonders schwer. Welches von beiden hängt davon ab, ob ihr an einen Nobelpreis für CRISPR/Cas und damit an Jennifer Doudna, Emmanuelle Charpentier und eventuell Feng Zhang glaubt. Für diese Möglichkeit spricht einiges: Das CRISPR/Cas-System ist eine revolutionäre Technik und hat die Molekularbiologie in den letzten Jahren drastisch verändert. Darüber, dass diese Technik unbedingt preiswürdig ist, herrscht weithin Konsens. Ein Preis an zwei Frauen hätte außerdem schon für sich genommen eine nicht zu unterschätzende positive Öffentlichkeitswirkung, eine Überlegung, der dem Komitee sicher nicht völlig fremd ist. Es wäre also für niemanden eine Überraschung, wenn es so käme.

Thomas Fisher Rare Book Library, University of Toronto, CC BY
Thomas Fisher Rare Book Library, University of Toronto, CC BY

Andererseits entwickelt sich das Feld derzeit so stürmisch, dass es möglicherweise voreilig wäre, sich jetzt schon festzulegen. Außerdem weist Ashutosh zu Recht darauf hin, dass die Frage der Priorität bei dieser Entdeckung gerade Gegenstand eines Rechtsstreites ist. Und ob sich die Wissenschaftsakademie da ohne Not ins juristische Getümmel stürzt… Ich weiß ja nicht. Eventuell wartet sie einfach noch ein paar Jahre. Es besteht ja keine Eile, die Kandidatinnen liegen nicht im Sterben oder so ähnlich.

Und an diesem Punkt wird es kompliziert, denn eine offensichtliche zweite Reihe gibt es nicht. Ich persönlich glaube allerdings, dass es dieses Jahr wieder ein Bio-nahes Thema wird. Da wären zuvörderst die von mir letztes Jahr schon erwähnten Pierre Chambon und Ronald Evans, Entdecker der Kernrezeptoren der Zelle. Die Entdeckung ist nicht nur theoretisch, sondern auch direkt praktisch für die Medizin relevant, denn solche Rezeptoren vermitteln zum Beispiel die Wirkung von Cortison. Wenn ich mich festlegen müsste, wäre das mein Tipp.

Zu den Kandidaten gehören auch meine langjährigen Mitfavoriten Franz-Ulrich Hartl und Arthur Horwich, die mit ihren Untersuchungen über Proteinfaltung und Chaperone das das letzte grundlegende große Proteinchemie-Thema ohne Nobelpreis abdecken. Es wäre langsam mal Zeit.

Eine interessante Außenseiterin im Bio-Feld ist Carolyn Bertozzi, die für die Entwicklung der so genannten Bioorthogonalen Chemie verantwortlich zeichnet. Das bedeutet schlicht, dass man gezielt chemische Reaktionen darauf zuschneidet, in lebenden Systemen stattzufinden. Bertozzi ist unter den diesjährigen “Citation Laureates” von Thomson Reuters. Ich persönlich glaube aber. das Feld muss ich noch ein ganzes Stück entwickeln, bevor sie dran ist.

Ebenfalls auf dieser Liste, und nicht das erste mal ist John B. Goodenough. Der hat zusammen mit Stanley Whittingham dereinst die Lithium-Ionen-Akkus erfunden und damit zweifellos die Welt verändert. Mit 93 Jahren ist er auch nicht mehr der allerjüngste, und seit Jahren für den Preis im Gespräch. Das wäre mal wieder ein Preis für eine Alltagsanwendung cleverer Chemie, und von denen haben wir seit Jahren meiner Meinung nach viel zu wenig gehabt.

7 Kommentare

  1. Der Physiknobelpreisträger Andre Geim(Graphen) hatte sich beim Nobelpreisanruf geärgert, dass der Nobelpreis schon so früh verliehen wurde. In den Medien kursiert immer wieder der Appell die Nobelpreise früher zu vergeben. Darüber hinaus gibt es die fundierte Hypothese, dass Wissenschaftler nach wichtigen Preisen an Produktivität verlieren. Zumindest weiß ich von Erhebungen zur Fieldsmedaile. Andre Geim außerte sich auch in einem Interview zu seinem Entschluss an Graphen in der Breite zu forschen statt bspw. die elektrischen Eigenschaften vertieft zu erforschen und dann Bauelemente zu patentieren/lizensieren. Nach Ihm ist er von Vertretern der Elektronikbranche angesprochen worden, mit dem Appell, dass sie ihn in ewige juristische Prozesse verwickeln werden, falls er versucht seine Bauelemente zu lizensieren/patentieren. Das Labor von Geim und Novosolev sind nun Pioniere in der Erforschung von elektrischer, optischer und chemischer Eigenschaften von Graphen und anderen “2 dimensionalen” Schichten.

      • Geim hat sich insbesondere deswegen geärgert, weil er noch wesentlich mehr erreichen möchte und der Nobelpreis die Krönung seines Lebenswerkes sein sollte und nicht nur für die “Anfänge” von Graphen. Was mich an Geim immer interessiert hat, war wie strategisch er vorgeht. In dem Maß habe ich das bei keinem anderen Wissenschaftler gesehen.
        Er hat sich vor Graphen gezielt medienwirksame Themen gesucht. Bspw. ist der berühmte Geckokleber auf PDMS-Basis von Ihm. (geim gecko sind google stichwörter) Ein anderes Thema war der levitating frog. (hier: https://www.youtube.com/watch?v=A1vyB-O5i6E ) Zunächst gab es nur die levitating strawberry ( https://www.youtube.com/watch?v=uY8btfJZ9Z8 ) nach dem diese aber kaum Aufmerksamkeit erzeugte, haben Geim und Novosolev nach unterhaltsameren Objekten gesucht und das Frosch Video veröffentlicht.
        Meiner Meinung nach herausragende Strategien im Wissenschaftsraum.

  2. Naja, der Verlgeich mit der Fieldsmedaille hinkt aber. Dort wird hart bei 40 der Schnitt gemacht, wie will man dort die stat. Unabhägigkeit vom Alter ermitteln? Die Basismenge ist auch arg klein. Sonst wird über Erhebungen dieser Größe nur gelästert.

  3. Pingback:Chemie-Nobelpreis für CRISPR? » Fischblog » SciLogs - Wissenschaftsblogs

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