Statine gegen Grippe-Todesfälle

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Vor dem Hintergrund der ersten paar Schweinegrippe-Toten ein kurzer Hinweis auf ein mögliches Gegenmittel. Seit etwa fünf jahren kursieren immer wieder mal Publikationen nach denen Statine, gängige Cholesterinsenker, die Zahl schwerer Komplikationen bei Grippe deutlich verringern.  Das Thema ist jetzt wieder aufgekommen, und zwar in einer Präsentation beim jährlichen Meeting der Infectious Diseases Society of America.

Die Daten stammen aus der Grippesaison 2007/2008 und umfassen 2800 Grippepatienten, deren Symptome schwer genug waren, einen Krankenhausaufenthalt zu rechtfertigen. 800 der Patienten waren langfristig auf Statinen, und die Sterblichkeit in dieser Gruppe war 2,1% im Vergleich zu 3,2% bei den nicht-Statin-Patienten. Das ist umso bemerkenswerter, weil die Statin-Patienten natürlich eine wesentlich höhere Rate von Vorerkrankungen aufwiesen, die eigentlich die Influenza-Sterblichkeit drastisch erhöhen.

Die Studie ist nur die letzte in einer ganzen Reihe entsprecheender Untersuchungen. Eine komplette Übersicht gibt es bei Effect Measure und im Avian Flu Diary. Dabei schützen Statine nicht vor der Influenza selbst, sondern nur vor schweren Komplikationen, die dabei auftreten können. In vielen Fällen stirbt ein Patient nämlich nicht an der Grippe, sondern vielmehr an einer positiven Rückkopplung zwischen Immunsystem und Entzündungssignalen, die man bildhaft als Cytokinsturm bezeichnet.

Statine haben nun neben der cholesterinsenkenden Wirkung auch die Fähigkeit, das Immunsystem zu beeinflussen. Sie verhindern, dass der Teufelskreis aus Entzündungssignalen und Immunzellaktivierung aus dem Ruder läuft, und schwächen so die schweren Komplikationen der Grippe ab. Tatsächlich finktioniert der Trick auch bei anderen schweren Erkrankungen, die nach dem gleichen Mechanismus funktionieren, zum Beispiel Blutvergiftung.

Haben wir mit den vergleichsweise günstigen und sicheren Statinen nun eine weitere Option im Fall einer schweren Grippepandemie? Viele Wissenschaftler, darunter auch die Autorin der aktuellen Studie, plädieren dafür, diese Möglichkeit so bald wie möglich wahrzunehmen. Die Sache hat allerdings noch einen Haken: Alle bisherigen Daten stammen aus beobachtenden Studien, das heißt es gibt keine Daten zu den verwendeten Statin-Dosen und anderen Randbedingungen. Die Beobachtungen müssen erst einmal in einer randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudie geprüft werden, bevor definitive Aussagen möglich sind.

Brendan Maher von The Great Beyond hat eine solche Studie aufgestöbert, die jetzt gerade anläuft und wahrscheinlich dank Schweinegrippe auch eine aussagekräftige Zahl Probanden zusammenbekommen dürfte. In absehbarer Zeit werden wir also erfahren, ob mit Statinen tatsächlich weniger Menschen an Grippe sterben. Eine andere Frage muss derweil offen bleiben: Warum erst so spät?

4 Kommentare

  1. Hoch spannend Lars,

    das erhellt für mich auch einen Artikel, den ich jüngst gelesen habe: Fluvastatin and Perioperative Events in Patients Undergoing Vascular Surgery (http://content.nejm.org/…ontent/short/361/10/980). Statine senken offenbar das perioperative Trauma und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass dies am Effekt auf den Fettstoffwechsel liegt. Spannend an dieser Studie ist in diesem Zusammenhang, dass eine Gabe kurz vor dem Ereignis offenbar ausreicht.

  2. Interessanter Hinweis

    …sollte es mich erwischen, werde ich mich diesem Experiment zur Verfügung stellen, denn von einer Impfung – insbesondere bzgl. Schweinegrippe und jener Adjuvantien ist mir abgeraten worden. Die Frage der Anwendung bei Menschen mit chronischen Erkrankungen – insbesondere wenn diese mit “kranken” Immunreaktionen zusammenhängen – sei bei Facharzttagungen einhellig mit der Ablehnung der Impfung beantwortet worden. Denn im Falle einer Immunüberreaktion könnten die Folgen einer Impfung gefährlicher sein, als etwaige Folgen der Erkrankung gegen welche geimpft wurde…

    Die Regierungsetagen werden wissen, warum Adjuvantien von ihnen abgelehnt worden sind. Dort haben wohl “echte” Fachleute beraten ;-))

  3. Sehr interessant!

    Da ich Simvastatin aufgrund einer KHK nehme, erfreut mich dieser Beitrag natürlich sehr. Umso mehr, als ich nach wie vor über die Notwendigkeit einer Impfung nachdenke. Auch aus o.a. Gründen.
    Wahrscheinlich ist die Grippewelle vorbei, bis ich zu einer Entscheidung gekommen bin.

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