Warum ich nicht an die genmanipulierten Embryos glaube

Gestern ist in Protein & Cell eine Veröffentlichung über genetisch veränderte Menschenembryos erschienen, die auch prompt bekannte Reflexe (“Frankensteins Küche”, “ungeheure Macht”) auslöste. Ich empfehle da eher Zurückhaltung. Das Ergebnis bleibt bei näherer Betrachtung weit hinter dem zurück, was man mit heute gängigen Methoden für technisch möglich gehalten hätte, zumindest wenn man nach den Warnrufen in Nature neulich geht. Außerdem habe ich an der ganzen Geschichte erhebliche Zweifel.

Es liegt mir natürlich fern, dem chinesischen Forscherteam Inkompetenz oder gar Fälschung zu unterstellen, aber misstrauisch machen mich schon die Umstände der Veröffentlichung:Ein Ergebnis dieser Tragweite in einem anscheinend rein chinesischen Nischenjournal? Echt jetzt? Nach Angaben der Autoren haben Nature und Science das Paper aus ethischen Gründen abgewiesen.

Nennt mich zynisch, aber das kann ich mir nun gar nicht vorstellen. Eher hätten die beiden Journals das mit großem Getöse – vergleichbar mit den Gain-of-function-papers von Fouchier & Co – als “kontrovers” veröffentlicht und gleich noch die Debatte drumrum mitpubliziert.

Mir erscheint es nicht völlig abwegig, dass die Gutachter der großen Journals Huang und seinem Team den ganzen Kram bei näherer Betrachtung schlicht nicht geglaubt haben. Das Journal, in dem das Paper jetzt publiziert wurde, hat sich die nähere Betrachtung dann sicherheitshalber auch gleich gespart…

embryo

Ich weiß, es gibt da draußen auch Leute, die schnell und sorgfältig arbeiten können und so. Aber an einen kompletten Peer Review in 24 Stunden glaub ich nicht. Schon gar nicht bei einer so relevanten Veröffentlichung. Und ganz, ganz bestimmt nicht bei den Erfahrungen, die man bisher mit vergleichbaren Veröffentlichungen – Hwang, Obokata etc. – gemacht hat.

Also ich glaub nicht dran. Joachim Müller-Jung hat hier dankenswerterweise ausführlich aufgeschrieben, weshalb die ganze Geschichte fragwürdig ist. Bin schon gespannt was dabei rum kommt, wenn sich die Fachleute in den nächsten Tagen das Paper vornehmen.

9 Kommentare

  1. Technisch wäre die behauptete Genmanipulation eines menschlichen Embryos mittels CRISPR/Cas9 heute möglich und die niedrige Erfolgsrate des chinesischen Teams spricht sogar dafür dass sie das getan haben, was sie behaupet haben

    The team injected 86 embryos and then waited 48 hours, enough time for the CRISPR/Cas9 system and the molecules that replace the missing DNA to act — and for the embryos to grow to about eight cells each. Of the 71 embryos that survived, 54 were genetically tested. This revealed that just 28 were successfully spliced, and that only a fraction of those contained the replacement genetic material. “If you want to do it in normal embryos, you need to be close to 100%,” Huang says. “That’s why we stopped. We still think it’s too immature.”

    Jedenfalls scheint die von den chinesischen Forschern verwendete Methode noch nciht für den “klinischen” Einsatz geeignet. Dazu müsste die Erfolgsrate weit höher sein.
    Es gibt aber Teams die daran arbeiten, die Präzision von CRISP/Cs9-Methoden zu erhöhen.

    • Eine gelungene DNA-Modifikation bei zwei Makakken-Embryos durch CRISPR/Cs9 im Januar 2014 spricht jedenfalls dafür, dass die Methode prinzipiell funktioniert, jedoch noch nicht die gewünschte Präzision hat. Die geringe Rate von erfolgreichen Makakken-Schwangerschaften nach Implantation von mittels Cas9 manipulierten Embryos spricht dafür, dass die Methode (noch) zuwenig selektiv und präzis ist.

      Scientists had to target the genes in 180 single-cell monkey embryos. Eighty three of those 180 embryos were injected into female macaques, yielded only 10 pregnancies.

  2. @Martin Holzherr
    “… und die niedrige Erfolgsrate des chinesischen Teams spricht sogar dafür dass sie das getan haben, was sie behaupet haben”

    Ich habe vor drei Tagen einen Vortrag über CRISPR/Cas in Drosophila gehört. Über tausend Embryos injiziert, weniger als hundert haben überlebt, nicht die Hälfte davon war fertil und davon war nur ein Bruchteil genetisch modifiziert. Wohlgemerkt in Fliegenembryos. Standardprozedur, die zu injizieren. Und keine große Modifikation, sondern lediglich Deletionen von wenigen Basenpaaren (reicht ja auch, um für nen Frameshift zu sorgen). Um Insertionen oder Fusionsproteine hinzubekommen, mussten noch deutlich mehr Embryonen injiziert werden. Der Vortragende meinte, dass das unter “effizient” fällt. Ich weiß nicht, ob das bei menschlischen oder Makakken-Embryos viel einfacher ist…aber deren Erfolgsquote sieht ja sogar besser aus.

    • Kann ich so von meiner Arbeit mit Zebrafischen nicht bestätigen, die Überlebensrate der Embryonen ist eigentlich extrem hoch (>80% würde ich schätzen), die meisten der Tode passieren in den ersten paar Stunden nach der Injektion und dürften zumindest teilweise daran liegen dass es doch sehr einfach ist bei der Injektion einzelner Zellen diese zu verletzen. Wir geben dann normalerweise 100 Embryonen zur Aufzuchtstation, wo die Überlebensrate sich meines Wissens nach kaum von nicht modifizierten unterscheiden, außer die Mutation selbst ist tödlich. Das größere Problem ist eher, dass wir eine hohe rate von Mutationen in frame bekommen, die oft keinerlei Auswirkungen auf die Proteinfunktion haben, was deutlich höhere Zahlen von Tieren und mehr Screening nötig macht. An und für sich funktioniert die Technik aber sehr gut – nur dürfte es für viele menschliche Anwendungen nicht praktikabel sein hunderte Embryonen zu screenen. tl;dr: Überlebensrate scheint zumindest bei Fischen kein Problem zu sein, die gewünschte Modifikation zu bekommen schon eher.

  3. Ganz unabhängig vom Inhalt der Publikation, hier zwei Gründe wieso von einem kurzen Begutachtungszeitraum nicht automatisch auf fehlenden oder ungenügenden Peer-Review geschlossen werden kann:

    1. Ein Paper kann von Journal A nach zum Teil mehreren Reviewrunden abgelehnt werden (aus welchen Gründen auch immer). Journal B kann das gleiche Manuskript akzeptieren ohne es erneut zu Gutachtern zu schicken und sich dabei auf die Kommentare der Reviewer von Journal A verlassen.
    2. Ein Paper kann nach Peer-review abgelehnt werden, der Editor kann den Autoren jedoch anbieten, das Manuskript nach Überarbeitung erneut beim gleichen Journal als neues Manuskript einzureichen und es dann auf editorialer Ebene akzeptieren, ohne es erneut an Gutachter zu schicken.

    Beides ist mir schon passiert.

    • Es gibt wohl Statements von Editoren der Zeitschrift, die genau darauf hindeuten: Die Autoren des Papers haben demnach die Kommentare der Reviewer von Nature und Science mit eingereicht und gezeigt, dass sie ihr Manuskript entsprechend der Kritik verbessert haben. Soweit erst mal ok.
      Allerdings wird es dann gleich wieder unglaubwürdig, dass nur 2 Tage zwischen Einreichen des Manuskripts und der Annahme waren, denn die Zeitschrift hat wohl trotzdem noch ein eigenes peer review gemacht, und zusätzlich auch Ethik-Experten befragt. Außerdem haben sie in der kurzen Zeit angeblich auch noch sichergestellt, dass alle experimentellen und ethischen Vorgaben eingehalten wurden.
      Da kann ich nur sagen: Das alles in 2 Tagen, davon sollten sich andere Zeitschriften inspirieren lassen! (oder vielleicht besser nicht…)

  4. “Accepted April 1, 2015”

    Gibt es in China auch Aprilscherze?

    Ich rege mich erst auf, wenn die Sache bestätigt ist, wenn das Empörungspotenzial dann nicht schon völlig durch andere Skandale und Katastrophen aufgebraucht ist. Meine bösen Ahnung: was man machen kann wird auch früher oder später irgendwo gemacht.

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