W7-X: Erstes Plasma am 10. Dezember

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Plasmen im Mittelpunkt
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Nun ist es also soweit: Die Betriebsgenehmigung wird diese Woche offiziell erteilt und das erste Plasma in W7-X soll am 10. Dezember zünden. Nach 9 Jahren Bauzeit (April 2005 bis Mai 2014) wird das ein schöner Abschluss des Jahres 2015 werden.

Wendelstein W7-X wird der größte Stellarator der Welt sein und hat u.a. als Ziel die Kraftwerkstauglichkeit des Stellarator-Prinzips zu zeigen. Bei Stellaratoren handelt es sich ebenso wie bei Tokamaks um Konzepte das heiße Plasma, welches ja aus geladenen Teilchen besteht, in einem toroidalen Magnetfeldkäfig einzuschließen (hier wird gerne der Vergleich zum Donut gezogen, siehe Abb. 1). Ein Tokamak erzeugt einen Teil des Magnetfeldes durch einen im Plasma selber fließenden Strom der wiederum mittels eines riesigen Transformators dort induziert wird. Das hat den Nachteil, dass der Tokamak im Prinzip nur gepulst betrieben werden kann, nämlich nur solange man einen Strom im Plasma induzieren kann, also eine Spannung ‘rauf- oder ‘runterfährt. Zum Teil ist es allerdings bereits gelungen, diesen Strom durch andere, im Plasma selbst ablaufende Prozesse zu erzeugen. Iter soll unter anderem die Anwendbarkeit dieser Konzepte auf große, reaktorrelevante Plasmen untersuchen.

Links: Donut, mit Schokolandenüberzug (und Streuseln). Rechts: Toroidales Plasma (Bild von euro-fusion.org). Eine gewisse Ähnlichkeit ist erkennbar.
Abbildung 1: Links: Donut, mit Schokoladenüberzug (und Streuseln). Rechts: Toroidales Plasma (Bild von euro-fusion.org). Eine gewisse Ähnlichkeit ist erkennbar.

Bei Stellaratoren wird das Magnetfeld komplett aus externen Spulen erzeugt, man ist nicht auf einen induzierten Strom angewiesen und kann das Experiment damit im Dauerbetrieb laufen lassen. Warum baut man dann nicht viel mehr Stellaratoren? Weil sie kompliziert zu designen und noch komplizierter zu bauen sind, die 3-dimensionale Form der Magnetfeldspulen kann man erst seit den 90er Jahren des letzten Jahrhundert zuverlässig rechnen. Eines der Ziele von W7-X war daher auch zu zeigen, dass man so etwas überhaupt bauen kann. Dieses Ziel ist mit der erfolgreichen Vermessung des Magnetfelds im Juli diesen Jahres eindrucksvoll erfüllt worden. Am Ende dieses Beitrages ist ein Video vom Science Magazine eingebettet, das den Aufbau von W7-X animiert darstellt.

W7-X Magnetfeldspulen, blau die 50 nicht-planaren Spulen, rot die 20 planaren Spulen (Bild: IPP)
Abbildung 2: W7-X Magnetfeldspulen, blau die 50 nicht-planaren Spulen, rot die 20 planaren Spulen (Bild: IPP).

Die ersten Plasmen nächste Woche werden Heliumentladungen sein, was auch den Grund hat, dass Helium leicht zündet. Zudem wird die innere Wand von W7-X trotz des Vakuums (Basisdruck von ca. 10-7 mbar) noch recht “dreckig” sein. An der Wand werden einige Verunreinigungen hängen, die man gut mit Helium entfernen kann. Nächstes Jahr werden dann Wasserstoffplasmen dazukommen. Ich werde zwar nächste Woche nicht in Greifswald dabei sein, sollte es aber zur Videoübertragung hier in Garching schaffen. Bilder der ersten Entladungen folgen dann. T minus 9 Tage!

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

16 Kommentare

    • ja, schönes Fundstück. Der Vorgänger von W7-X, der Stellarator W7-AS (1988-2002 im Betrieb), war übrigens der erste Stellarator, welcher mit modularen Spulen aufgebaut wurde.

  1. Auch für Wendelstein W7-X könnte man sich eine ARC (affordable, robust compact)-Variante vorstellen. Anstatt 3 Tesla Magnetfeldstärke in der Hauptachse liefe die ARC-Variante mit 12 Tesla in der Hauptachse. Das Vakuumgefäss hätte noch einen Durchmesser von 8 Meter (anstatt 16 Meter) und die Höhe wäre 2.5 Meter anstatt 5 Meter. Die ARC-Variante von Wendelstein W7-X hätte dann in einem Einfamilienhaus Platz und wäre in der Lage 500 Megawatt an Energie zu liefern. Bei Massenfabrikation der heute exotisch anmutenden Wand- und Magnetelemente könnten der Anlagenpreis unter 1 Milliarde Dollar zu liegen kommen und betreiben würde man so einen Reaktor überall, zum Beispiel am Times Square von New York, irgendwo im Untergrund.

    • Derartige Überlegungen und Versprechungen kommen von den Fissionsleuten schon seit Jahrzehnten. Und ebenso lang werden diese Versprechen nicht eingehalten. Und was tut man mit Leuten die ständig ihre Versprechen brechen? Genau, man macht keine Geschäfte mit ihnen!

      Vorerst sollte man Fusionsforschung als Grundlagenforschung betrachten die uns ein besseres Verständnis der Welt liefert. Ob daraus mal was Nützliches abgeleitet werden kann muss sich erst noch zeigen.
      Falls man jemals mit Fusion wirtschaftlich Energie gewinnen kann wissen wir sobald 1. die Wissenschaftler keine Verständnisfragen mehr haben, 2. die Ingenieure die Baupläne aus dem Ärmel schütteln und 3. die Techniker ihre Werkzeuge zusammensuchen um mit dem Bau zu beginnen.

      • Lieber Gerry,
        zunächsteinmal bin ich nicht sicher, ob Sie wirklich “Fissionsleute” sagen wollten, sondern eigentlich “Fusionsleute”.

        Wenn Sie dann mit “solche Versprechen” auf den Kommentar von Martin Holzherr ansprechen (und ich davon ausgehe, dass die “Fusionsleute” meinten), so ist es hier etwas unfair alle in einen Topf zu werfen. Die Hauptlinien sind in der magnetischen Einschluss-Linie ganz klar der klassische/konventionelle Tokamak (siehe ITER) und der Stellarator (siehe W7-X). Dazu gibt es dann immer mal wieder Idee & Konzepte, wie man ein heißes Plasma auf leicht andere Art & Weise einschließen kann. Der ARC (ein Tokamak) ist ein solches Beispiel, der aber noch zeigen muss, dass die postulierten Parameter auch erreicht werden. Die zugrundeliegenden Simulationen sind zumindest nicht falsch, allerdings könnte man einige der Schlussfolgerungen schon als sehr optimistisch bezeichnen.

        Insofern ist die Fusionsforschung auch immer noch Grundlagenforschung, ITER wird hier erstmals etwas anders sein, es ist Forschung, die teilweise eng mit Industriepartnern gemacht werden muss, da man ja herausfinden will, wie ein Reaktor genau auszusehen hätte.

    • Wenn ein neuer Wendelstein W70-Y linear 10 mal größer wäre, also etwa 160 Meter Durchmesser hätte, dann hätte er das 1000 fache Plasmavolumen.
      Das würde die Wärmeverluste verringern, und die Fusionswahrscheinlichkeit erhöhen.
      Je größer sein Plasmavolumen ist, um so weniger High-Tech benötigt ein Fusionsreaktor.
      Sind diese Überlegungen richtig?

      • Ja, das ist richtig. Das gleiche Prinzip wie beim Säugetier. Zu klein ist irgendwann problematisch – unterhalb einer Spitzmaus geht nicht mehr viel.

    • Lieber Martin,
      wie ich in meiner Antwort auf Gerrys Kommentar angedeutet habe, sind einige der Schlussfolgerungen aus den Simulationen bzw. auch einige der Eingabeparameter auf denen das ARC Konzepte beruht sehr optimistisch. Zudem muss erstmal noch jemand zeigen, dass er mit den verwendeten Supraleitern auch wirklich große Spulen in der erforderlichen Präzision fertigen kann – das ist nicht zu unterschätzen.
      Ansonsten stimmt es schon, dass diese Supraleiter neue Möglichkeiten eröffnen, allerdings ist es mit dem Stellarator etwas anders als bei Tokamak, ihn kompakt zu bauen bringt nicht unbedingt direkt etwas, da die Magnetfeldkrümmungen eine wichtige Rolle für den Plasmaeinschluss im Stellarator spielen. Das muss man genau durchrechnen, ich werde mal schauen, ob es dazu schon interne Meinungen gibt und auch mir das ARC-Konzept mal genauer anschauen.

      • Danke für die Antwort. Das folgende ” Zudem muss erstmal noch jemand zeigen, dass er mit den verwendeten Supraleitern auch wirklich große Spulen in der erforderlichen Präzision fertigen kann” wurde bereits gezeigt. Der LHC (Large Hadron Collider) besitzt 1232 Dipolmagnete mit je 8,3 Tesla. Und es ist tatsächlich eine Herausforderung wie man dort liest:

        The manufacture of the coils, which contain the superconducting cable to provide the all-important 8.33 T magnetic field, represents 60% of the magnet production work. The niobium-titanium coils create the magnetic fields to guide the two counter-rotating proton beams in separate magnetic channels, but within the same physical structure. The coils are surrounded by non-magnetic “collars” of austenitic steel, a material that combines the required properties of good thermal contraction and magnetic permeability. The collars hold the coils in place against the strong magnetic forces that arise when the coils are at full field – the force loading 1 m of dipole is about 400 tonnes.

        • Da muss ich Ihnen widersprechen: Am LHC werden, wie in dem von Ihnen verlinkten Dokument und zitiertem Text gesagt, “niob-titanium” Supraleiter verwendet; am ARC sollen “barium copper oxide” Supraleiter verwendet werden (kurz auch als ReBCo bezeichnet). Dies sind Hochtemperatursupraleiter, flüssiger Stickstoff reicht hier zum Betrieb aus und das man diese in industriellem Maßstab herstellen kann, gilt es noch zu zeigen.

          • Stimmt ReBCOs gibt es erst seit kurzem. Einige Meilensteine finden sich hier.

            2012:
            Recent success at Brookhaven National Laboratory has advanced superconducting technology to a level that HTS magnets are now being considered seriously in the upgrade of current accelerators, for use in future accelerators and in muon colliders.

            2011:
            A research team at the National High Magnetic Field Laboratory (NHMFL) at Florida State University reached a new world record in magnetic field generation, successfully testing a superconducting electromagnet to a field of 35.4 Tesla. The new record was achieved with a layer-wound insert magnet constructed with a single piece of SuperPower 2G HTS wire approximately 100 meters in length. NHMFL “nested” an YBCO coil inside a 31 Tesla resistive magnet with an “insert” YBCO coil supplying the additional 4.4 Tesla.

          • Der ReBCo-Einsatz für die nukleare Fusion wird im Buch High Temperature Superconductor Cable Concepts for Fusion Magnets besprochen und es werden die überlegenen Eigenschaften von ReBCos insbesondere für Magnete mit sehr hohen Feldstärken herausgestellt. Wichtig ist die optimale Ausrichtung der ReBCo-Tapes in Magneten für den Magneteinschluss von Plasmen, denn ReBCos-Materialien sind hochgradig anisotrop.

            Jedem, der einen Fusionsreaktor mit Magnetfeldeinschluss bauen will, kann dieses Buch empfohlen werden.

    • Man hängt bei diesem Experiment einen weiteren Torus in das Plasma, eine Magnetfeldspule. Der Vorteil ist eine hohe Flexibilität in den Magnetfeldkonfigurationen, der Nachteil die Nähe der Spule zu dem Plasma. Davon abgesehen finde ich aber, das sind faszinierende Experimente.

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