Wendelstein W7-X: Erste Ergebnisse

BLOG: Formbar

Plasmen im Mittelpunkt
Formbar

Nach 10 Wochen Experimentierzeit endete Mitte März die erste Operationsphase an W7-X, dem weltgrößten Stellarator. Zeit also, einen Blick auf die (vorläufigen) Ergebnisse zu werfen.

Die erste Operationsphase (OP1.1) begann am 10.12. letzten Jahres mit einer Reihe von Helium-Entladungen. Temperaturen der Elektronen von knapp 1 kilo-Elektronenvolt, was ca. 10 Millionen Grad entspricht, wurden auf Anhieb erreicht. Allerdings stellte sich bald heraus, dass man ein Problem mit Verunreinigungen hatte, die zu einer raschen Abkühlung des Plasmas durch Strahlungsverluste führten und die Entladungsdauer so auf ca. 50 ms begrenzten. Das kam nicht ganz unerwartet, da zunächst nur eine einfache Reinigung der Innenwand des Vakuumgefäßes durchgeführt wurde. Eine besondere Reinigung wird jedoch benötigt um die Oberfläche von adsorbierten Gasen und den Schweißtropfen, die sich beim Aufbauen dort angesammelt haben, zu reinigen. Besonders effektiv sind dabei Glimmentladungen bei denen es im Wesentlichen darum geht die Innenwand mit Ionen zu beschießen, die natürlich nicht so viel Energie haben, als dass es zu großflächigen Sputterprozessen des Wandmaterials kommt. Nachdem entsprechende Reinigungsvorgänge regelmäßig durchgeführt werden konnten, schaffte man es die Entladungsdauer sukzessive auf ca. 500 ms zu verlängern.

Erstes Wasserstoff-Plasma in W7-X; im sichtbaren Spektralbereich leuchtet nur der Rand, das Zentrum ist zu heiß.
Abbildung 1: Erstes Wasserstoff-Plasma in W7-X; im sichtbaren Spektralbereich leuchtet nur der Rand, das Zentrum ist zu heiß. (Bild: IPP)

Spannend und physikalisch interessanter wurde es am 3. Februar diesen Jahres, als unsere Bundeskanzlerin unter großem medialen Interesse das erste Wasserstoff-Plasma zündete (siehe zum Beispiel hier, hier oder hier). Wasserstoff ist insofern physikalisch interessanter, als dass ein späterer Fusionsreaktor mit Isotopen von Wasserstoff, Deuterium und Tritium, betrieben werden soll. Durch kontinuierliche Optimierung der Entladungsszenarien schaffte man schließlich eine maximale Entladungsdauer von 6 Sekunden bei einer eingestrahlten Mikrowellenleistung von 0,5 MW.

Merkel_discharge
Abbildung 2: Fun fact: Die Entladung, die Merkel gezündet hat, ist als Referenz-Entladung in den Laborbüchern eingetragen. (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA)

Ein begrenzender Faktor in OP1.1 waren die Limiter: dies sind die Wandkomponenten im Vakuumgefäß, die in direktem Kontakt mit dem Plasma sind und damit der größten thermischen Belastung ausgesetzt sind. Die Idee der Limiter ist, dass man lieber die Magnetfeldlinien – und damit den Fluss geladener Teilchen – definiert auf bestimmte Bereiche der innerer Wand lenkt. So werden nur an diesen Stellen besonders hitzeresistente Materialien benötigt. In OP1.1 hat man insgesamt 5 ungekühlte Graphit-Limiter verwendet. Vor Beginn der Experimente wurde der maximale Wärmeeintrag während einer Plasmaentladung auf 2 MJ festgesetzt. Die thermische Überwachung der Limiter zeigte aber schnell, dass man weit von einer kritischen Temperatur entfernt war und so erhöhte man den Wert auf 4 MJ. Damit wird schon klar, dass OP1.1 insgesamt als Erfolg gewertet wird. Auch die gesteckten Ziele bezogen auf Plasmatemperatur und -dichte wurden mit maximalen Werten von 10 keV (100 Mio Grad Celsius) für die Elektronen und 2 keV (20 Mio Grad Celsius) für die Ionen deutlich überschritten.

Abbildung 3: Graphit-Limiter in W7-X. (Bild: IPP)
Abbildung 3: Graphit-Limiter in W7-X. (Bild: IPP)

Eigentlich sollte OP1.1 vor allem dazu dienen das Zusammenspiel der Diagnostiken und der Kontrollsysteme ausgiebig zu testen. Von den knapp 1000 durchgeführten Entladungen konnten aber über 400 physikalischen Studien gewidmet werden, da sich die gründliche Arbeit beim Designen und Aufbauen in Form von gut funktionierenden Abläufen äußerte. Natürlich gab es auch Überraschungen und unerwartete Ergebnisse, die momentan alle durch gründliche Datenanalyse verifiziert oder falsifiziert werden müssen.

Limiter Divertor
Abbildung 4: Schematische Darstellung eines Limiters (links) und eines Divertors (rechts) im poloidalen Querschnitt. (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA)

Jetzt gibt es eine insgesamt 14 Monate andauernde Pause in der vor allem die Limiter ausgebaut werden und durch Divertoren ersetzt werden. Im Gegensatz zum Limiter befindet sich der Divertor weiter weg vom Plasma und ist teilweise von diesem abgeschirmt. Ein Nachteil des Limiters ist nämlich seine Nähe zum Plasma: herausgeschlagene Atome gelangen direkt ins Plasma und kühlen dieses durch Strahlungsverluste ab. Beim Divertor hingegen kann man durch die teilweise Abschirmung mit starken Pumpen lokal die herausgeschlagenen Verunreinigungen direkt entfernen. Der Divertor trägt so erheblich zur Verbesserung des Energieeinschlusses des Plasmas bei. Eine ganz wesentliche Bedeutung hat der Divertor in einem Fusionsreaktor: die in der Fusionsreaktion entstandene Helium-Asche wird über ihn abgeführt. Bei W7-X wird zunächst eine ungekühlte Test-Divertoreinheit eingebaut, die 10 Sekunden dauernde Plasmaentladungen bei einer Heizleistung von 8 MW erlauben werden. Der Experimentierbetrieb in OP1.2, so heißt die Betriebsphase mit dem Testdivertor, ist bis 2017 geplant, dann wird die endgültige und aktiv gekühlte Divertoreinheit installiert. In der darauf folgenden Operationsphase, genannt OP2, sollen die angepeilten 30 min Entladungsdauer realisiert werden.

Abbildung X: Keine Party ohne Kuchen, besonderes Augenmerk ist der Form des Plasmas gewidmet, hier hat der Konditor ganze Arbeit geleistet. (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA)
Abbildung 5: Keine Party ohne Kuchen, besonderes Augenmerk ist der Form des Plasmas sowie der Spulen gewidmet, hier hat der Konditor ganze Arbeit geleistet. (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA)

Es ist zu erwarten, dass in der jetzt laufenden Datenauswertung noch der eine oder andere interessante Effekt auftaucht. Sehr gespannt wartet man in der Community auf verlässliche Werte zu der Energieeinschlusszeit, eine der Schlüsselgrößen bei Fusionsexperimenten. Es ist und bleibt also spannend!

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

11 Kommentare

  1. Ein Stellarator soll ja im Gegensatz zum Tokamak zum Dauerbetrieb fähig sein. Bei Wendelstein W7-X scheint aber die höchste erreichbare Betriebsdauer 30 Minuten zu sein. Diese wird in der Phase OP2 angestrebt.Eine noch höhere Betriebsdauer scheint nicht vorgesehen.

    Frage: Sind 30 Minuten die höchste erreichbare Betriebsdauer wegen der Auskühlung des Plasmas durch Abstrahlung oder sind diese 30 Minuten durch die maximale Kühlleistung für die supraleitenden Magnete gegeben?

    • Zunächst einmal geht man davon aus, dass 30 min im Grunde einer Dauerbelastung entsprechen – alle Arten von thermischen Effekten der Wandmaterialien sollten bis zu diesem Zeitpunkt bereits aufgetreten sein.

      Dann ist es aber auch nicht die Kühlung der Spulen, die limitiert, sondern die Kühlung der Divertoren. Die ist so ausgelegt, dass es 30 min ohne Probleme geht. Klar, die hätte man auch größer auslegen können, aber, wie gesagt, 30 min gilt als Dauerbetrieb.

      Die Kühlung der Spulen selber funktioniert wunderbar, wie jetzt in OP1.1 gezeigt wurde und wäre – wie erwartet oder designt – keine Limitierung.

  2. Das hat man deshalb ausgewählt, weil man annimmt, dass man jede beliebig lange Zeit auch schaffen kann, wenn die man 30 Minuten geschafft hat. Quelle: “Alternativlos” Podcast Folge 36 zum Wendelstein 7-X

    • Herrlich, seit längerem mal wieder eine neue Folge vom Alternativlos-Podcast und dann auch noch zu diesem Thema, vielen Dank für den Hinweis!

  3. Alf Köhn schrieb (2. Mai 2016):
    > […] Natürlich gab es auch Überraschungen und unerwartete Ergebnisse

    (… ja, das ist ganz natürlich …)

    > die momentan alle durch gründliche Datenanalyse verifiziert oder falsifiziert werden müssen.

    Wohl kaum. Durch (selbstverständlich gründliche, nachvollziehbare, und ggf. durch wiederholte Ausführung der erforderlichen auf die gegebenen Daten anzuwendenden Messoperationen bzw. Berechnungen verifizierte) Datenanalyse werden endgültige Ergebniswerte überhaupt erst gewonnen;
    egal, ob diese erwartet wären, oder überraschend.

    Was man mit gewonnenen Ergebnissen machen kann, insbesondere sofern sie unerwartet waren, ist stattdessen:

    1. Alle Modelle als falsifiziert zu verwerfen, entsprechend denen bisher andere Ergebniswerte erwartet wurden; und

    2. Alle Modelle, die die gewonnenen Ergebnissewerte beinhalten, eingehender zu analysieren, als man es (entsprechend den bisherigen Erwartungen) bisher schon getan hatte; bzw. derartige Modelle überhaupt erstmals aufzustellen.

    • Naja, da habe ich mich eventuell etwas missverständlich ausgedrückt: ich meinte weniger die Verifizierung oder Falsifizierung ganzer Modelle. Es ging mir eher darum, dass beispielsweise Diagnostik A eine bestimmte Oszillation lokal an einer Stelle im Plasma detektiert. Dann gilt es nun zu Prüfen, was man denn aus dem Rauschen der benachbarten Diagnostik B, die auf einem völlig anderen physikalischem Effekt beruht, herausziehen kann. Sieht man auch dort die besagte Oszillation oder nicht. Beides kann passieren und hat unterschiedliche Konsequenzen. Gerade am Anfang sind diese Zusammenspiele der verschiedenen Diagnostiken noch zu “trainieren”.
      Ebenso ist der Aufwand (und Nutzen) der Bestimmung sinnvoller Fehlerbalken nicht zu unterschätzen. Im späteren Betrieb wird hier natürlich vieles automatisiert/routiniert ablaufen.

      Hat man das alles gemacht, geht es, wie Sie gesagt haben Frank, an den Vergleich mit Modellen.

      • Alf schrieb (2. Mai 2016 21:26):
        > dass beispielsweise Diagnostik A eine bestimmte Oszillation lokal an einer Stelle im Plasma detektiert. Dann gilt es nun zu Prüfen, was man denn aus dem Rauschen der benachbarten Diagnostik B, die auf einem völlig anderen physikalischem Effekt beruht, herausziehen kann. Sieht man auch dort die besagte Oszillation oder nicht. Beides kann passieren

        Und das eine wie auch das andere wäre ein für sich gültiges Ergebnis (jeweils eines Versuchs).

        Wenn derartige Ergebnisse darüberhinaus mit dem Hintergedanken an “physikalische Effekte” beurteilt werden
        (anstatt, lediglich, mit dem Gedanken an die Gewinnung von Messwerten von physikalischen Messgrößen an sich),
        dann legt man wohl schon bestimmte Modelle zugrunde (für “Plasma“, “Diagnostik A” und “Diagnostik B“; einzeln, als auch insgesamt),
        und man wird entsprechend bestimmte Ergebnisse als “erwartet” beurteilen, und andere als “überraschend”.

        > Gerade am Anfang sind diese Zusammenspiele der verschiedenen Diagnostiken noch zu “trainieren”.

        Das setzt voraus, sich auf ein bestimmtes “Trainingsziel” festzulegen.
        Die Auswahl eines solchen festen “Trainingszieles” (unter allen denkbaren) ist aber Ausdruck eines bestimmten Modells (bzw. von bestimmten Modellklassen; z.B. von allen Modellen, die beinhalten, dass jegliche “Bedingungen”, die nicht ausdrücklich “diagnostiziert” wurden, sich im Laufe des Trainings nicht systematisch veränderten).

        > Ebenso ist der Aufwand (und Nutzen) der Bestimmung sinnvoller Fehlerbalken nicht zu unterschätzen.

        Gewiss.
        Nicht zu unterschätzen sind auch die Abgründe an Voreingenommenheiten, die sich hinter dem Wörtchen “sinnvoll” verbergen können …

        • > Nicht zu unterschätzen sind auch die Abgründe an Voreingenommenheiten, die sich hinter dem Wörtchen “sinnvoll” verbergen können …

          wie wahr, wie wahr 😉

  4. Kurze Frage:
    Eines der Ziele war zu zeigen, dass man einen Stellarator _überhaupt_ bauen und beherrschen kann. Gilt dieses Ziel eigentlich schon als erreicht, oder fehlt da noch etwas am Nachweis?

    BTW: That’s science! Und wir sind dabei!

    • Korrekt, der eigentliche Aufbau von W7-X war schon als zu passierender Meilenstein festgelegt. Offiziell erreicht wurde dieser Meilenstein mit der Vermessung des Magnetfeldes, denn damit hat man gezeigt, dass man der größten Herausforderung beim Aufbau, nämlich der Millimeter-genauen Positionierung der kompliziert geformten und nicht eben leichten Spulen sowie deren Betrieb, gewachsen war. Das war Juli 2015 der Fall, siehe hier: https://scilogs.spektrum.de/formbar/wendelstein-w7-x-das-magnetfeld-2/

Schreibe einen Kommentar