Die kleinen Gefahren

BLOG: Quantenwelt

Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Wissen Sie warum ich mir keine Sorgen mache ob Glyphosat krebserregend ist? Warum mir mögliche gesundheitliche Effekte von Handystrahlung keine Angst einjagen? Warum ich Deos auch mit Aluminiumsalzen verwende? Antworten auf Fragen, die zum Teil wissenschaftlich interessant sind, sind für das alltägliche Leben oft genau deswegen unwichtig.

Gemeinsam ist den oben genannten Sorgen, dass es sich um Effekte handelt, die empirisch untersucht werden, aber kein eindeutiges Ergebnis zeigen. Es gibt Studien, die einen Effekt zeigen, und andere, bei denen nichts zu sehen ist. Das ist in der Medizin nicht ungewöhnlich: Der menschliche Organismus ist sehr kompliziert und es gibt viele miteinander konkurrierende Einflüsse, deren Wirkungen sich in Studien nicht ausschalten lassen. Studien über gesundheitliche Gefahren haben immer einen starken Untergrund von Erkrankungen, die auch ohne die zu untersuchende Gefahr aufgetreten wären.

Wenn nun die Studienlage über die Schädlichkeit einer Substanz oder einer Strahlung uneindeutig ist, ist das ein Hinweis, dass mögliche Effekte deutlich kleiner sind als als die experimentelle Unsicherheit. Die Schädlichkeit der untersuchten Substanz ist verhältnismäßig klein oder gar nicht vorhanden.

Wissenschaftlich interessieren mich solche Studien nur dann, wenn ein Wirkmechanismus bekannt oder zumindest plausibel ist. Muss ein solcher, wie bei der Handystrahlung, an den Haaren herbeigezogen werden, verliere ich auch schnell jedes wissenschaftliche Interesse an Studien.

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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

25 Kommentare

  1. Kein eindeutiges Ergebnis genügt aber weiten Teilen der Bevölkerung um Ängste zu wecken und Vorbehalte zu bestätigen.
    Wenn es beispielsweise um AKW oder Gen-Food geht genügt wenig, weil viele diesen Technologien gegenüber bereits negativ eingestellt sind.
    Je mehr Studien es zum Zusammenhang Leukämie/Nähe zu AKWgibt ,desto mehr Leute glauben an diesen Zusammenhang, auch wenn jede zweite Studie negativ ist.
    Genfoodskeptikern genügt auch die Studie von Seralini um sie in Ihrer Meinung zu bestätigen.
    Mein Eindruck ist nun, dass mehr als 50% der Deutschsprachigen sowohl AKW- als auch Genfood-skeptisch sind. Somit neigen auch mehr als 50% der Deutschsprachigen dazu, sich von solchen nicht eindeutig ausfallenden Studien in ihrer Skepsis bestätigt zu sehen.
    Das stimmt einen traurig, denn es zeigt, dass es keinen so grossen Unterschied zwischen dem in den USA verbreiteten Kreationismus und dem Klimaleugnen und den in deutschsprachigen Ländern verbreiteten “Aberglauben” und Angst/Hysterie gibt. Sie spinnen die Amis und die Deutschen müsste Asterix heute sagen um aktuell zu bleiben

  2. Herr Schulz “Wissenschaftlich interessieren mich solche Studien nur dann, wenn ein Wirkmechanismus bekannt oder zumindest plausibel ist.” scheint mir doch eine sehr bedenkliche erkenntnistheoretische Haltung zu sein, vor allem für einen Physiker. Wie sollen den unbekannte und “unplausible” Wirkmechanismen überhaupt “entdeckt” werden, wenn man sowas von vornherien ausschliesst?

    • Herr Schulz sagt doch nicht, dass keine Studien zu unbekannten Phänomenen mehr durchgeführt werden sollen oder er alle folgenden Studien ignoriert, weil eine einzelne Murks war. Er sagt nur, dass _existierende_ Studien, welche fragwürdige Ergebnisse liefern und/oder mit fragwürdigen Methoden erstellt wurden, für ihn als Entscheidungsgrundlage nicht in Frage kommen.

    • “Wie sollen den unbekannte und “unplausible” Wirkmechanismen überhaupt “entdeckt” werden, wenn man sowas von vornherien ausschliesst?”

      Das ist eine gute Frage. Das Problem mit Studien der Art, wie ich sie hier beschreibe, ist, dass man sehr leicht auf zufällige Korrelationen hereinfallen kann. Deshalb ist hier eine theoretische Basis sehr wichtig um überhaupt zu validen aussagen zu kommen. Der springende Punkt der Experimentalphysik ist Modellbildung. Ohne ein plausibles Modell ist nicht viel Erkenntnis zu erwarten.

  3. Zum Kommentar von Ute Gerhardt: Ich finde bei Herrn Schulze keinerlei ‘fragwürdig’. Die Verwendung von ‘fragwürdig’ scheint mir ziemlich unangebracht und vor allem sehr tendenziös.
    Abgesehen davon widerlegen solche Studien auch nicht die möglichen Gefahren durch AKWs, Gen-Food oder ähnliches. Auch eine solche Argumentation ist für mich tendenziös, da es nach dem Motto geht ‚alles ist super, solange man nicht das Gegenteil beweist‘.
    Und was AKWs betrifft, so hat die Geschichte schon einiges der Gefahren aufgezeigt. Abgesehen davon, dass die Kosten immer falsch kalkuliert werden – z.B. Kosten der Endlagerung, Kosten für eine adäquate Versicherung und direkte und indirekte Subventionen.

    • Wie kommen Sie denn jetzt auf AKW? Die Gefahren radioaktiver Strahlung und Stoffe gehören zu den Gefahren, die sowohl theoretisch als auch experimentell gut bekannt sind. Das sind Forschungsbereiche, die ich für sehr interessant halte.

      • Es geht hier sicher um die Gerüchte zu den Krebserkrankungen in der Nähe zu AKW´s. Solche machen unsicher und verwirren. Statistische Erhebungen und Metaanalysen sind aber andererseits wichtige Strategien.

        Und mit Nullaussagen (weil keine Studien was hergeben) hat man dann auch nicht geholfen.

        • Mehr Krebs in der Nähe von AKW’s würde mehr Radioaktivität in der Nähe von AKW’s voraussetzen, nimmt man Joachim Schulz’s Wirkmechanismus-Prinzip ernst (Zitat): “Wissenschaftlich interessieren mich solche Studien nur dann, wenn ein Wirkmechanismus bekannt oder zumindest plausibel ist. “
          Die Radioaktivitätslevel in der Umgebung von AKW’s sind aber nur unmerklich grösser und im Vergleich zu natürlichen Schwankungen der Radioaktivität (beispielsweise zwischen Schwarzwald und Berlin ) unbedeutend. Das allein schon spricht dagegen, dass es in der Nähe von AKW’s mehr Krebs gibt, denn wenn die Nähe zu AKW schon genügen würde um die Krebsrate ansteigen zu lassen würde man AKW’s eine magische krebserzeugende Wirkung unterstellen. Wissenschaftlich gesehen ist nur folgendes plausibel: Wenn es in der Nähe von AKW’s mehr Krebsfälle gibt, muss es in der Nähe von AKW’s soviel mehr Radioaktivitöt geben, dass sie die zusätzlichen Krebsfälle erklären.

          • Es sei denn “Krebs” hätte auch bestimmte psychosomatische Ursachen…

            Allerdings müsste dann eben eine bestimmte Idee aufgetischt werden, die eine bestimmte medizinische Theorie möglich werden lässt.
            D.h. einige müssten “ihre Rübe” hinhalten, was natürlich derart im Spekulativen keiner gerne macht, weil er dann konkret werden müsste mit seiner Sichtenbildung.

            Insofern wendet sich Herr Dr. Schulz gerade gegen das Munkeln, Raunen & Tuscheln, das sich bei bestimmten Datenlagen, insbesondere: medial, ergeben kann, sofern der Schreiber dieser Zeilen hier korrekt verstanden hat, natürlich nur.

            MFG
            Dr. W

  4. Wie begegnet man Ängsten? Wie trennt man das Rationale vom Irrationalen? Das ist für jeden Einzelnen eine unterschiedliche und ständig wiederkehrende Herausforderung. Selbst wo es gelingt, bleiben Ängste und Emotionen sehr mächtig. Nicht jeder kommt gleich gut damit klar, unabhängig davon wie rational er damit umgeht.
    Ein Freund von mir meinte, es nütze ihm nichts die Gefährlichkeit von KKWs oder Genfood rational einzuschätzen oder in Relation zu alternativen Risiken zu setzen. Die Emotion “Angst” (speziell vor Radioaktivität oder Genfood) könne er damit nicht loswerden.
    Gefahrenpotential deutscher KKWs, Genfood, Elektrosmog, “Überwachunsstaat” – all das habe ich für mich persönlich mit einer Kombination einfacher Überlegungen, verfügbaren Zahlen und historischen Fakten als relativ harmlos eingestuft und habe keine Angst davor.*
    Dafür habe ich andere Ängste, die ich längst als völlig irrational erkannt habe, aber nie völlig los werde. Beispiel: Immer wenn ich im Meer schwimme, habe ich das ungute Gefühl von einem Hai ins Visier genommen zu werden. Es wird mit den Jahren besser, aber ganz unbeschwert werde ich nie im Meer schwimmen können, nichtmal in einer geschützten Badebucht im Mittelmeer.

    Allerdings ist es ärgerlich wenn Ängste und Emotionen von Interessensgruppen geschürt werden, um sich sozusagen im “Unterbewustsein einer Gesellschaft” verankern. Dann wird es für einen demokratisch gewählten Politiker ganz schwer, rational zu agieren.**
    Gleichzeitig werden Risiken, welche gerade nicht im Fokus der Öffenlichkeit stehen, viel zu lange ignoriert. Ich nenne mal exemplarisch Klimawandel und Multiresistenzen. Beides konnte man schon vor wenigstens 30 Jahren antizipieren.

    *Gleichwohl gebe ich zu opportunistisch von weniger gelassenen Zeitgenossen zu profitieren, welche sehr mistrauisch sind und immer wieder tatsächliche Misstände aufdecken. Die schiessen zwar manchmal übers Ziel hinaus, aber man kann sich auf sie verlassen.

    **Al Gore schrieb dazu 1992 sinngemäss (zwischen den Zeilen!), dass ein offensives Vertreten der seiner Meinung nach richtigen Umweltpolitik das sofortige Ende seiner politischen Karriere in den USA bedeuten würde.

    • @ ralph :

      Die Ratio hilft hier bei, oder half hier bei, bis nicht nur bundesdeutsch Politiker, gerne auch: kinderlose, die Idee bekamen Gefühligkeit (vs. Anstand) zuvörderst zu bearbeiten.

      Die Trennung des Rationalen vom Irrationalen kann sich nur über eine dementsprechende Ideologisierung ergeben, in der Regel waren im europäischen Raum bisher so die Ideen und Werte der Aufklärung gemeint, wobei die Religion so nicht ausgeschlossen wurde, die Römische Kirche und das Protestantentum waren seit Langem der Idee nicht abgeneigt, dass relig. christliche Idee auf den Einzelnen bezogen anthropozentrisch und theozentrisch zu erfolgen habe.
      Duozentrisch, das Christentum hat seit geraumer Zeit diesen duozentrischen Ansatz, der Schreiber dieser Zeilen erlaubt sich anzumerken, dass hier ein Erfolgsrezept des Europäischen zugrunde liegen könnte.
      Old Ratzinger ist nicht müde geworden dbzgl. zu erklären.

      Ökologismus, Biozentrismus (das Fachwort) und natürlich die Einfuhr des Neomarxismus (die Hand in Hand ging mit der Erfindung der Antikonzeption) bearbeiten hier, wie der Schreiber dieser Zeilen findet, insbesondere den Neomarxismus meinend, ungünstig und scheinen in der Lage schwerwiegend zu schaden, vielleicht sogar: entscheidend.

      MFG
      Dr. W (OK, LOL, war ein Exkurs, kann vielleicht aber doch so stehen bleiben, auch weil nicht bös gemeint?! – auch nicht verkehrt, wenn sich Hänschen fragt, wenn dieses oder jenes heute so ist (Ängste und so) – ansonsten natürlich: Atheist, loge!)

      • PS und vorsichtshalber nachträglich ergänzt:
        Das Christentum schließt seit geraumer Zeit individuelle Verständigkeit nicht aus, was alles andere als naheliegend ist.

  5. @ ralph
    19. August 2015 12:00

    Zitat:
    Beispiel: Immer wenn ich im Meer schwimme, habe ich das ungute Gefühl von einem Hai ins Visier genommen zu werden.

    -> Kenne ich auch. Allerdins schon im Binnensee – ohne Hai. Mit Hecht und Barsch. Und was da noch alles in den trüben Gewässern rumschwimmt. Die sind halt im Zweifel Raubtiere. Das die alle eher flüchten, wenn ich ins Wasser springe, hilft dabei auch nicht weiter.

  6. Wissenschaftlich interessieren mich solche Studien nur dann, wenn ein Wirkmechanismus bekannt oder zumindest plausibel ist.

    Sehr schön formuliert.
    Theorien müssen eine besondere Idee haben.
    Insofern ließe sich auch nicht rein mit den Mitteln der Informationstechnologie aus großen Datenmengen mehr als Theorie-Vorschläge entwickeln, vgl. auch mit dem berüchtigten Aufsatz ‘The End of Theory‘.

  7. “Wissen Sie warum ich mir keine Sorgen mache ob Glyphosat krebserregend ist?”
    schreibt ein Physiker…ein Naturwissenschaftler…hätte er dies möglicherweise auch zu Beginn des Einsatzes von DDT gesagt? Der “Einzelne” kann dies für sich durchaus so bewerten. Die Kritik an “den Studien” kann man durchaus teilen. Aber als Geowissenschaftler gebe ich doch zu bedenken, dass es außer der Welt des “Einzelnen” auch noch andere systemisch Beteiligte (u.a. Geosphäre mit Boden, Grund- und damit Trinkwasser und natürlich die Biosphäre) gibt. Es gab und wird immer wieder “sogenannte Studien” geben, die gerade bei komplexen systemübergreifenden Zusammenhängen, vielleicht auch als Nebenprodukt und zufällig, auch für den “Einzelnen” sehr wichtige Kenntnisse hervorbringen!

    • Ich bin mir nicht ganz sicher, was der Kern Ihrer Kritik ist. Haben Sie erwartet, dass ich ein paar konkrete Studien nenne und darauf eingehe, warum diese nicht geeignet sind, mich von einer Gefahr zu überzeugen? Oder fehlt ihnen die Gesamtschau über einzelne Studien hinaus?

      Ihrem letzten Gedanken stimme ich voll und ganz zu. Selbstverständlich können Studien auch wichtige Kenntnisse hervorbringen. Nicht nur für Einzelne.

      • Ja/Nein
        Ja: mir persönlich würde EINE Studie gut tun, die egal was widerlegt oder zementiert.
        Nein: Eine Gesamtschau von Studien kennt niemand (pure Annahme, was ist überhaupt eine Studie, Ist die verifiziert?)
        Warum ich das “Ja” bevorzuge hat einen ganz einfachen Grund. Ich bin nämlich – sei es Artikel, Aufsatz oder Studie – auf mein Wissen angewiesen; ich werde also nur von der Sympathie beeinflusst, die der Autor mit seiner Wortwahl bei mir auslöst. Eigentlich so einfach. Und natürlich von meinen Vorurteilen.
        Ein Artikel, geschrieben von einem Fachmann, der MIR sagt so und so, das würde mein Urteil Richtung Fachwissen Anderer positiv beeinflussen. Das wird aber kaum zu lesen sein. Denn Artikel über Fachthemen sind fachspezifisch (ja klar, sie sollten schon begründbar sein) oder sie sind populistisch. Den Mittelweg, also populärwissenschaftlich, finde ich(!) aber fast nie. Komisch, aber die glaubwürdigste Wissensvermittlung hat immer noch Peter Lsutig hingekriegt.
        Deswegen ja: ich wünsche mir eine konkrete Studie, in der gesagt wird, warum man das Ergebnis so oder so bewerten muss.
        Und ja, alleine aus Signifikanz in der Statistik weiß man, dass es Auslegungsspielraum gibt, aber ein Beispiel (z.B. für das oft diskutierte Thema AKW) wäre hilfreich. Nicht zur Meinungsbildung sondern Warum man etwas WIE mit WELCHER Begründung auslegen kann.
        Nein, das ist keine Kritik an Ihnen, aber an Ihrer Antwort an Dipl. Geol. K.H. Schmid

    • Sind sie empört, weil das Missachten einer (nicht eindeutigen) Glyphosphatstudie dem Missachten der Gefährlichkeit von DDT gleichkommt?
      Was passiert aber, wenn man jedem noch so windigen Gefahrenhinweis folgt. Solche Menschen essen glutenfrei (obwohl sie keine Unerträglichkeit haben), sie beutzen kein Handy und verlassen schliesslich das Haus nicht mehr.
      Viel Schaden kann man aber abwenden, wenn man Konsequenzen aus eundeutigen Studien zieht. Someosste man schon vor 1950, dass Asbest gesundheitsschädlich ist, zog daraus aber keine Konsequenzen.

  8. Sehr geehrter Herr Schulz,

    ich teile Ihre Meinung dieses Mal nicht. Eine gewisse Gelassenheit ist zwar durchaus empfehlenswert, Skepsis aber auch.

    Ich kann zum Beispiel nicht ausschließen, dass “wissenschaftliche Studien” zielgerichtet durchgeführt werden oder dass es in der Wissenschaft Lobbyisten gibt, die einen gewissen Ausgang einer Studie bevorzugen und dementsprechenden korrigierend einwirken.

    Auch kann ich nicht ausschließen, dass eine Studie zwar erkenntnisorientiert durchgeführt, aber ihr Ergebnis zielgerichtet ausgelegt und/oder kommuniziert wird, um eine bestimmte Meinung beim Leser zu erreichen.

    Denn dass es möglich ist, durch Aufbau/ Durchführung und durch die Art und Weise der Kommunikation einer Studie bzw. ihres Ergebnisses, Einfluss auf die Wahrnehmung der Leser zu nehmen, kann, glaube ich, nicht abgestritten werden.

    Gerade bei Studien, die die Aufmerksamkeit großer Teile der Gesellschaft auf sich ziehen, sehe ich zumindest die Möglichkeit der Einflussnahme und der Manipulation des öffentlichen Bewusstseins.

    Vielleicht bin ich aber auch nur sehr sensibel und kritisch, wenn der Welt mitgeteilt werden soll, dass “etwas so(!) und nicht anders” sei. Das letzte Jahrhundert hat gezeigt, dass es möglich ist, die öffentliche Meinung bzw. die Denkweise eines Großteils der Bevölkerung in eine gewollte Richtung zu lenken, was zwei katastrophale Kriege zur Folge hatte. Wirtschaftliche Interessen werden gegen Gesundheit und Allgemeinwohl aufgewogen (z.B. das schon erwähnte Asbest, Nikotin, Alkohol, Smog, Inhaltsstoffe in Gebrauchsgegenständen (z.B. Weichmacher)).

    Ich möchte hier keineswegs jede Studie und jeden Wissenschaftler als manipulativ brandmarken oder auf die große Weltverschwörung™ hinweisen. Ich möchte nur zu bedenken geben, dass Erkenntnisse (z.B. aus Studien) die Wahrnehmung, Meinung und Handlungen der Menschen tangieren und dadurch manipulativ genutzt werden könnten und dass Universitäten, Institute, Professoren usw. letztendlich “bezahlt” werden (müssen) – und damit bestechlich/erpressbar sind.

    Wenn also

    – von Mobilfunkunternehmen bezahlte Studien zu dem Ergebnis kommen, dass Handystrahlung absolut ok ist und Funktürme den Menschen nicht negativ beeinflussen

    – von Energieversorgern bezahlte Studien eindeutig belegen, dass Hochspannungsleitungen oder Infraschall durch Windkraftanlagen unbedenklich sind

    – (Grenz)werte für bestimmte Substanzen/Stoffe/Verbindungen gewissen Schwankungen unterliegen oder als unbedenklich gelten (Cholesterin im Blut, radioaktive Strahlung allgemein, Fluorid +Jod im Natrium-Chlorid, Aluminium in Deos/Töpfen/Besteck/Verpackungen, Blei im Benzin, EM-Strahlung elektrischer Geräte)

    – die Ergebnisse zahlreicher Studien zu einem Sachverhalt stark voneinander abweichen

    – Studien aufgrund nicht untersuchter Störeinflüsse, nicht ausreichend sensibler Messtechnik oder aufgrund gewisser Annahmen (z.B. in der Psychologie) zu nicht realitäts- bzw. praxisbezogenen Ergebnissen kommen

    … dann ist meiner Meinung nach eher Skepsis, Zweifel oder zumindest Vorsicht angebracht statt wissenschafts-loyales Abnicken und Akzeptieren.

    Schon Goethe wusste: “Es irrt der Mensch, solang er strebt.”

    Im Übrigen stimme ich Bernd Millers Kommentar zu.

    • Genau für diese Skepzis, für die Sie einstehen, wirbt auch mein Beitrag. Es geht mir darum nachzusehen:
      1) Ist der Effekt so groß, dass er als Basis für eine Entscheidung taugt.
      2) Gibt es einen plausiblen Wirkmechanismus.

      Wenn ich die erste Frage verneinen kann, ist der Effekt schon mal für das tägliche Leben unwichtig. Wenn ich dann aber die zweite Frage bejahen kann, dann ist es immerhin eine wissenschaftlich interessante Fragestellung.

      Sehen Sie sich einfach mal die Zahlen an: Wenn “die Ergebnisse zahlreicher Studien zu einem Sachverhalt stark voneinander abweichen”, liegt es fast immer daran, dass der Effekt winzig klein ist.

  9. Wurst ist stärker krebserregend als Glyphosphat wie der SPON-Artikel wurst als Krebserreger festhält.Genauer: Verarbeitetes Fleisch (zu dem auch Wurst gehört) ist mit grösserer Sicherheit krebserregend als Glyphosphat. Verarbeitetes Fleisch wurde von der IARC (WHO-Behörde) in die Kategorie “Krebserregend” eingeordnet, während Glyphosphat nur in die Kategorie “Wahrscheinlich Krebserregend fällt”

  10. Sehr geehrter Herr Schulz,
    für mich als wissenschaftlichen Laien ist das leider nicht ganz so einfach, mit dem Anschauen der Zahlen.
    Ich habe mir das abstract der französischen Studie (zum Zusammenhang von Handybenutzung und Hirntumoren) angeschaut und mir fehlen leider Infos, um die Zahlen zu verstehen. Weil Tante Googel mich nicht weitergebracht hat, dachte ich, ich versuchs einfach mal hier auf Ihrem Blog.

    Im Abstract heißt es u.a.:”OR=1.24; 95% CI 0.86 to 1.77 for gliomas”
    Vielleicht kann mir hier jemand erklären, was diese Kürzel / Zahlen bedeuten? Oder kennt eine Website, auf der Infos zum Verstehen von abstracts zu finden sind?

    (Hintergrund meiner Frage ist auch, daß ich gehört habe, daß Probanden dieser Studie, die nur wenig mobil telefoniert haben, seltener Hirntumore entwickelt haben, als Probanden, die garnicht mobil telefonierten. Ich würde nun gern herausfinden, ob die Studie dies tatsächlich gezeigt hat.)

    Hier der Link zum abstract: http://oem.bmj.com/content/early/2014/05/09/oemed-2013-101754.abstract.html

    • OR ist die Abkürzung für Odds Ratio, also Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten. Es ist die Wahrscheinlichkeit mit einem Einfluss zu erkranken geteilt durch die Wahrscheinlichkeit ohne den Einfluss. Hier geht es im Gliome, eine Art von Hirntumoren. OR=1.24 bedeutet eine Erhöhung der Erkrankungswahrscheinlichkeit um 24%. Allerdings ist das mit Vorsicht zu genießen, denn die Statistik unterliegt Fehlern. Dazu sind die übrigen Angaben da: “95% CI 0.86 to 1.77” bedeutet, dass der tatsächliche Wert mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen folgenden beiden Extremen liegt:
      1) Patienten entwickeln aufgrund der Handystrahlung zu 14% weniger Gliomen als ohne Handystrahlung.
      2) Patienten entwickeln sogar 77% mehr Gliomen durch die Handystrahlung.

      Das bedeutet, dass die Annahme, dass Handystrahlung gar keinen Einfluss hat, innerhalb der Fehlerbalken dieser Erhebung liegt.

  11. Vielen Dank für Ihre Antwort.
    Es ist nicht ganz einfach, Studienergebnisse zu verstehen (Wahrscheinlichkeit, Chance, Risiko…) wenn man es nicht gelernt hat, damit umzugehen.
    Aber dank Ihrer Erklärungen weiß ich jetzt, wonach ich googlen kann. Danke schön!

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