Abschied von europäischen Ausbauzielen für Erneuerbare? Eine ökonomisch fragwürdige Entscheidung

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Windkrafträder und Energiekraftwerk. Foto: fotolia, ©Stefan Ouwenbroek
Windkrafträder und Energiekraftwerk. Foto: fotolia, ©Stefan Ouwenbroek

 

Von Dr. Paul Lehmann, Prof. Dr. Erik Gawel, Dr. Sebastian Strunz (UFZ-Department Ökonomie)

Die EU-Kommission will in Zukunft nicht mehr auf verbindliche Ausbauziele für erneuerbare Energien auf Ebene der Mitgliedsstaaten setzen. Bislang verfolgt die EU für das Jahr 2020 drei klima- und energiepolitische Ziele: Die Minderung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 20%, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien (EE) am Gesamtenergieverbrauch auf 20% und Verbesserung der Energieeffizienz um ebenfalls 20%. Für die Zeit nach 2020 plant die Kommission nun, primär auf ein ambitioniertes Klimaschutzziel zu vertrauen: Bis zum Jahr 2030 sollten die Treibhausgasemissionen nun um 40% gegenüber 1990 reduziert werden. Zwar wird zusätzlich noch das Ziel formuliert, den Anteil erneuerbarer Energien auf europäischer Ebene auf 27% bis 2030 zu erhöhen. Jedoch möchte die Kommission in Zukunft nicht mehr vorschreiben, welchen konkreten Beitrag die einzelnen Mitgliedsstaaten zur Erreichung dieses Ziels zu leisten haben. Folglich könnte niemand mehr für eine mögliche Verfehlung des Ziels zur Verantwortung gezogen werden. Im Ergebnis schrumpft das Ausbauziel für erneuerbare Energien damit zu einem zahnlosen Tiger.

Diese Entscheidung kommt nicht völlig überraschend. Mehrere Mitgliedsländer, darunter Großbritannien, hatten sich klar gegen feste Ziele für EE-Ausbau und Energieeffizienzsteigerungen ausgesprochen. Unterstützung erhielten sie dabei von den europäischen Lobbyverbänden der Arbeitgeber und der Stromwirtschaft. Die deutsche Bundesregierung hingegen hatte sich stets für ein separates Erneuerbaren-Ziel eingesetzt.

Auf den ersten Blick erscheint die These der Kritiker einleuchtend: Vorgaben, welche einen EE-Ausbau oder eine Verbesserung der Energieeffizienz parallel zum Klimaschutzziel festschreiben, schränkten die Marktakteure bei ihrer Suche nach möglichst günstigen Wegen zur Emissionsvermeidung unnötig ein. In der Konsequenz erhöhe ein Ziel- und Maßnahmenbündel notwendigerweise die Kosten des Klimaschutzes. Folglich erschiene es gesamtwirtschaftlich sinnvoll, einzig auf ein Klimaschutzziel zu setzen. Zur Erreichung dieses Ziels sollte dann primär der europäische Emissionshandel zum Einsatz kommen.

Mit dieser Argumentation wird jedoch unterstellt, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz allein dem Klimaschutz dienen sollen. Die mit der Energieerzeugung verbundenen Umweltauswirkungen sind aber vielfältig: Sie reichen vom Abbau der Energieträger (Stichworte: Landschaftsverbrauch und Gewässereingriffe durch Kohletagebau und Fracking) über deren Transport (Tankerhavarien) und deren Einsatz zur Strom-, Wärme- und Krafterzeugung (Feinstaubemissionen und nukleare Störfälle) bis hin zur Entsorgung von Atommüll oder Importrisiken.

Stromleitungen. Foto: André Künzelmann/UFZ
Foto: André Künzelmann/UFZ

 

Die gesellschaftlichen Kosten dieser Risiken spiegeln sich typischerweise nicht in den Energiepreisen wider. Preissignale, die Energieträgerwahl und Verbrauch steuern, sind deswegen vielfach verzerrt. Aus ökonomischer Sicht versagt der Markt daher nicht nur beim Klimaschutz. Um die gesellschaftlichen Kosten zu minimieren, muss der Staat eingreifen. Natürlich sollten die genannten Umweltprobleme im Idealfall möglichst direkt angegangen werden – etwa durch die Besteuerung von umweltbelastenden Energieträgern. Aus verschiedenen Gründen ist dies jedoch auf europäischer Ebene nicht immer möglich oder sinnvoll – etwa wenn interregional relevante Umweltverschmutzungen außerhalb des EU-Hoheitsgebietes versursacht werden oder internationale Handelsabkommen eingehalten werden müssen.
Unter diesen Bedingungen eröffnen separate Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien zumindest eine pragmatische Lösung. Sie beeinflussen die Energieträgerwahl und den Energieverbrauch und leisten auf diese Weise einen indirekten Beitrag zur Reduzierung der genannten negativen Umweltwirkungen. Dabei ist klar, dass auch erneuerbare Energien nicht frei von Umweltproblemen sind, die beim Ausbau beachtet werden müssen. Ferner können explizite EE-Ausbauziele Marktversagen beim Technologieübergang auf noch nicht ausgereifte Erzeugungstechnologien überwinden und zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Förderung konventioneller Energien beitragen. Nicht zuletzt können EE-Ausbau- und Effizienz-Ziele politische Probleme auffangen, die gegenwärtig beim Klimaschutz, der sich allein auf einen notleidenden Emissionshandel stützt, nur allzu offensichtlich sind. Dies ist gegenüber einem perfekten Emissionshandel zwar vielleicht nur klimapolitisches third-best, aber eine pragmatische Lösung für die reale Welt, die selten die Lehrbuchwelt ist.

Ein europäisches EE-Ausbauziel könnte zudem die Grundlage sein für die gegenüber rein nationalen Politikern vielfach eingeforderten europäischen Effizienzgewinne bei der Nutzung Erneuerbarer. Und rein nationale Energieeffizienzpolitik schwächt unnötig die innergemeinschaftliche Wettbewerbsposition der Vorreiterstaaten.

Das Fazit ist damit klar: Soll die Energieerzeugung in Europa in Zukunft umweltverträglich gestaltet werden, bleibt auch aus rein ökonomischer Sicht ein Mix aus Zielen und Instrumenten – inklusive fester Ziele für EE–Ausbau und Energieeffizienzverbesserungen erforderlich. Dieser Mix muss sich an Konsistenz- und Effizienzforderungen messen lassen; eine einseitige Fokussierung auf den Klimaschutz und auf ein vermeintlich einfaches AlleinInstrument wie den – derzeit schwächelnden – Emissionshandel geht an den Anforderungen der Praxis an eine rationale Energieumweltpolitik vorbei.

9 Kommentare

  1. Klimaschutz scheint mir wichtiger als der Ausbau der Erneuerbaren. In Deutschland hat die Fixierung auf den Ausbau der Erneuerbaren zu einem Allzeithoch bei der Energiegewinnung aus Braunkohle geführt. Einfach darum, weil die Subvention von EE zu
    1) tieferen durchschnittlichen Strompreisen an der Strombörse geführt hat
    2) die Auslastung konventioneller Kraftwerke durch das Einspeiseprimat der Erneuerbaren gesunken ist.

    Jetzt sind nur noch die allerbilligsten konventionellen Kraftwerke profitabel zu betreiben und das sind die Braunkohlekraftwerke. Mehrere Gaskraftwerke wurden wegen Unrentabilität stillgelegt. Braunkohlekraftwerke leisten heute den Hauptanteil an der Grundlast Deutschlands.

    Es scheint also durchaus sinnvoll, als primären Massstab für die Energiepolitik die CO2-Emissionen zu nehmen, denn das Klimaproblem scheint mir dringlicher als alle anderen Probleme. Wenn man aber in der EE-Förderung vor allem eine Alternative zur Kernenergie sieht, dann läuft in Deutschland tatsächlich alles bestens. Deshalb habe ich auch schon mehrmals die Ansicht geäussert, die Energiewende in D sei in erster Linie ein Atomausstieg, nicht aber eine klare Abwendung von den fossilen Energien.
    Wenn es aber so ist, wird wiederum klar, warum Mitgliedsstaaten wie Grossbritannien, die Tschechei oder Frankreich darauf beharren, dass Klimaschutz das wichtigste oder gar einzige Ziel in der europäischen Energiepolitik sein soll, denn diese Staaten wollen ihre AKW’s noch weiter betreiben.

    Das sollten sich alle die hier diskutieren einmal klar machen. Es geht im Kern darum ob eine “europäische Energiewende” einen europäischen Atomausstieg bedeuten soll. Wenn ja, dann kann man den Autoren Dr. Paul Lehmann, Prof. Dr. Erik Gawel und Dr. Sebastian Strunz zu diesem Beitrag nur zustimmen. Wenn nein, dann sieht es völlig anders aus und die Hinwendung zur Braunkohle in Deutschland ist dann ein Riesenfehler.

    • @ Hr. Holzherr:

      Klimaschutz scheint mir wichtiger als der Ausbau der Erneuerbaren.

      Es gibt ja das Problem, dass “Erneuerbare” nicht im erforderlichen Maße skalieren, dass die Balance anderweitig herzustellen ist.
      Interessant hier, dass das ökologische oder ökologistische Bemühen um den Rückbau des Ausstoßes von klimarelevanten Gasen mit dem ökologischen oder ökologistischen Bemühen um das Ende der friedlichen Nutzung der Kernkraft zu konkurrieren scheint.
      In der BRD, von außen betrachtet, und der Schreiber dieser Zeilen steht diesbezüglich außen, sieht dies nicht gut aus.

      MFG
      Dr. W

      • Obiger Link EnBW nennt Klage gegen Abschaltverbot “Notwehr” passt sehr gut zur folgenden Textpassage der obigen Autoren Dr. Paul Lehmann, Prof. Dr. Erik Gawel, Dr. Sebastian Strunz:

        Mehrere Mitgliedsländer, darunter Großbritannien, hatten sich klar gegen feste Ziele für EE-Ausbau und Energieeffizienzsteigerungen ausgesprochen. Unterstützung erhielten sie dabei von den europäischen Lobbyverbänden der Arbeitgeber und der Stromwirtschaft.

        Ob diese Aussage überhaupt zutrifft kann ich nicht beurteilen. Doch Industrie-Lobbyverbände auf der Gegenseite zu sehen ist in der Energiediskussion in Deutschland geradezu Usus. Typischerweise werden von Grünen und Umweltbewussten grosse Energieunternehmen verteufelt (nur schon weil sie gross sind) und diesen bösen Golliathen werden die dezentral Strom erzeugenden Basisbürger als Davide entgegengestellt.
        Das scheint mir völlig unangemessen. Tatsache ist, dass die grossen Energieunternehmen durch die Energiewende alle unter die Räder kommen weil sie mir ihren grossen Kraftwerken kaum noch Gewinne einfahren können (ausser es sind Braunkohlekraftwerke). Und dann verdonnert man sie noch dazu, Kraftwerke weiterzubetreiben, die nicht mehr rentabel sind.
        Sicher hat die Energiewende Gewinner und Verlierer. Doch warum muss man sich über die Verlierer – die Grossen – auch noch echauffieren und ihnen die schlimmsten Absichten unterstellen? Meine Behauptung ist: Die Konsequenzen der Energiewende wurden von den wenigsten richtig eingeschätzt und mit der heutigen Situation kann kaum jemand zufrieden sein.

  2. Nach Wikipedia will die Energiepolitik der EU (Zitat)

    … den Klimawandel bekämpfen, die durch die hohe Importabhängigkeit bei fossilen Brennstoffen entstehende externe Verwundbarkeit der EU dämpfen und mittels einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung Wachstum und Beschäftigung fördern.

    Diese 3 Ziele deuten bereits die Prioritäten in der europäischen Energieversorgung an. Auf der Website Energie der EU werden diese Prioritäten noch klarer sichtbar. Dort liest man:

    Die Energieversorgung ist eine der größten Herausforderungen für das heutige Europa. Rasant steigende Energiepreise und erhöhte Abhängigkeit von Energieeinfuhren bedrohen unsere Energieversorgung und damit die Wirtschaft insgesamt. Um unsere Emissionen drastisch zu senken und dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, sind weitere, grundsätzliche Entscheidungen erforderlich. Damit die europäische Energieinfrastruktur zukunftsfähig bleibt, sind in den kommenden Jahren gewaltige Investitionen erforderlich.

    Diese Prioritäten
    1) Kostengünstige Energie
    2) Reduktion von Importabhängigkeiten
    3) Bekämpfung des Klimawandels

    muss jedes Mitgliedsland zum grössten Teil selber verfolgen, zumal jedes Land vor einer anderen Energiesituation steht und ein anderes Portfolio von bereits etablierten Energietechnologien hat.
    In der EU-Broschüre Energie liest man dazu: “Zum Glück sind unsere eigenen Quellen
    – „Energiemix“ genannt – auf europäischer Ebene sehr vielfältig: Da gibt es zahlreiche Staudämme in Österreich, Kohlebergwerke in Polen, Atomkraftwerke in Frankreich, Erdöl in der
    Nordsee und Erdgasfelder in den Niederlanden und in Dänemark – wie gut, dass die europäischen Länder so unterschiedlich sind! Klar ist jedoch, dass die Länder solidarisch sein müssen, um daraus Vorteile zu ziehen.”

    Würde die EU strikt auf einem zukünftigen Energieportfolio vor allem bestehend aus Erneuebaren Energien bestehen, so wäre die oben positiv erwähnte Energie-Diversität der Länder kein Positivum. Im Gegenteil, viele Länder müssten beispielsweise ihre AKW’s möglichst bald einmotten. Was die EU ja auch anstrebt, ein europaweites Stromnetz nämlich, könnte die Situation jedoch deutlich verbessern. Dann könnten sogar die Kohlekraftwerke in Polen von Nutzen sein indem sie die nötige Grundlast liefern. Deutschland könnte im Gegenzug auf viele seiner Kohlekraftwerke verzichten. Ein EU weites Netz wäre überhaupt das wichtigste Bindeglied, welches Unterschiede ausgleichen und lokale Versorgungsengpässe verhindern könnte. Das hat auch die EU erkannt, liest man doch

    Europe must modernise and expand its energy network to absorb energy from renewable sources and ensure secure supplies everywhere. It also needs smart grids to save energy and better manage the network. The Commission has identified 12 priority corridors and areas for electricity, gas, oil and CO2 transport networks, and is promoting projects to implement them.

    Im übrigen fällt auf, dass auf den EU-Energieseiten immer wieder eine kostengünstige Energieversorgung gefordert wird. Energieffizienz beispielsweise erhält hohe Priorität,
    weil man damit
    1) die Importabhängigkeiten reduzieren kann
    und
    2) Kraftwerke und Kosten einsparen kann

    Auch dieser Artikel betont ja schon im Titel den ökonomischen Aspekt:
    “Abschied von europäischen Ausbauzielen für Erneuerbare? Eine ökonomisch fragwürdige Entscheidung”

    Ich behaupte nun: Nur wer schon zu glauben weiss, was die ideale Energieversorgung Europas ist, kann für alle Länder ähnliche oder gleiche Vorgaben machen und dies dann sogar als ökonomisch vorteilhaft darstellen. Ein solches Wissen gibt es aber nicht und es ist wesentlich klüger von der bestehenden sehr diversen Energiesituation in den verschiedenen Mitgliedsländern auszugehen als ein Ideal vorzugeben an das sich alle halten müssen.

  3. Germany’s energy revolution on verge of collapse liest man im New Scientist. Der Wissenschaftsjournalist Fred Pearce zitiert dort Roger Pielke

    “The Energiewende is moving emissions in the wrong direction,” says Roger Pielke Jr of the University of Colorado in Boulder. He calculates that Germany will have to more than double renewables’ contribution to energy from 17 to 38 per cent to reach the 40 per cent target.

    “It seems highly unlikely that Germany can hit the reduction target by 2030, much less 2020,” says Pielke, who believes nuclear is “the best tool available for reducing CO2 emissions”.

    Roger J. Pielke hat schon verschiedentlich vorausgesagt, welche Länder ihre selbstgesteckten Emissionsziele nicht erreichen werden. Im Fall von Japan, Kanada und Australien hat er recht bekommen.

    Doch bei Deutschland liegt er meiner Ansicht nach falsch. Es stimmt zwar, dass Deutschland seine Emissionen bis 2020 gegenüber heute kaum reduzieren wird, vor allem weil bis dann mehrere AKW’s vom Netz müssen, doch der geplante starke Ausbau der Erneuerbaren Energien wird das Reduktionsziel – 40% weniger CO2-Emissionen bis 2030 – erreichbar machen – ausser Deutschland bremst seine Energiewende. Dafür spricht aber nichts.

  4. @Martin Holzherr: Vielen Dank für diesen Hinweis. Natürlich bedurfte unser Beitrag heute nach der Veröffentlichung der Kommunikation einer Aktualisierung. Bei genauerem Hinsehen bestätigen sich jedoch unsere Vorhersage: Zwar wird das Ziel von 27% für den Ausbau der Erneuerbaren definiert – allerdings nur noch auf europäischer Ebene. Es erfolgt keine Übersetzung mehr in nationale Ziele, an denen sich die einzelnen Ländern messen lassen müssen. Das bedeutet aus meiner Sicht eben gerade, dass das Erneuerbaren-Ziel nun nicht mehr verbindlich ist. Denn wer sollte nun zur Verantwortung gezogen werden, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Das habe ich nun so im einleitenden Absatz erläutert.

    • Ja das stimmt, es gibt ein bindendes Ziel für 27% Ausbau der Enerneurbaren EU-weit bis 2030, jedoch kein national bindendes Ziel mehr. Auf Null reduziert hat die EU ferner die Forderung nach mehr Energieeffizienz womit sie einem voraussehbaren Scheitern der Einsparungsziele die Spitze nimmt, denn nicht einmal Deutschland wird das 20% Einsparungsziel bis 2020 erreichen – und das trotz den hohen Energie- und vor allem Strompreisen in D, die doch – so sollte man annehmen – dämpfend auf die Nachfrage nach Strom wirken sollten.
      Interessant ist, dass selbst viele ausgewiesene Journalisten mit Kerngebiet Energie und Klima Schwierigkeiten hatten die EU-Energieziele für 2030 richtig zu interpretieren. So schreibt Damian Carrington in Guardian Climate “The commission made some progress: the target of at least 27% renewable energy by 2030 is an important political signal (and a defeat for the UK, which lobbied hard against it). “
      Dass dieses 27% EE-Ziel nur für die EU als Ganzes gilt, nicht aber wie ursprünglich vorgesehen für jedes Mitgliedsland erwähnt Carrington nicht, so dass der Leser einen völlig falschen Eindruck erhält.

      Ist nun die Zurücknahme eines für alle gültigen EE-Zieles falsch, wie im obigen Artikel behauptet. Selbst wer an Erneuerbare Energien als Alleinseligmachend glaubt, müsste sich das noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Es ist nämlich so, dass Grossbritannien selbst wenn es wollte bis 2020 nicht einmal 20% seiner Enerigie erneurbar erzeugen wird, denn Ende 2012 wurden nur gerade 4.1% der Energie in Grossbritannien erneuerbar erzeugt (siehe auch hier) und eine Aufholjagd wird wohl höchstens zu einem 15% Anteil der Erneuerbaren bis 2020 führen. Wenn aber eines oder mehrere Mitgliedsländer die Energieziele nicht erreichen, dann besteht die Gefahr, dass sie sich völlig von den EU-Energieplänen verabschieden wie das bereits auf Kioto-Protokoll-Ebene Kanada und Japan getan haben.

  5. EE als Idealenergiequelle im Portfolio aller EU-Staaten ist das was dieser Artikel verteidigt. Damit erhalten EE im hier verteidigten Weltbild eine Sonderstellung und werden Mädchen für alles. Dagegen spricht:
    1) EE sind kein Ersatz für eine Preis auf CO2-Emissionen. Es gibt viele CO2-Quellen (z.B. Fahrzeuge) und mehr EE erhöhen “nur” den Anteil CO2-freien Stroms
    2) EE-Ziele und die Kosten ihrer Durchsetzung dürfen die Kompetitiviät nicht allzustark beeinträchtigen. weder national noch gesamteuropäisch.

    Zu Punkt 1): Die Verweigerung der meisten EU-Staaten gegenüber einem höheren Preis für CO2-Emissionen bedeutet doch letztlich, dass den EU-Staaten die Kosten wichtiger sind als das Klima. Es ist eine Illusion man könne diese Halltung durch die Hintertür – nämlich über mehr Erneuerbare – überwinden. Viele europäische Staaaten würden wohl ihren EE-Anteil nicht weiter erhöhen, wenn die Preissteigerungen für Strom ähnlich hoch ausfallen würden wie in Deutschland. Das Kostenproblem kann nur über Kostenmassnahmen und nicht über ein EE-Ziel angegangen werden.

    Zu Punkt 2) liest man oben: ” Ferner können explizite EE-Ausbauziele Marktversagen beim Technologieübergang auf noch nicht ausgereifte Erzeugungstechnologien überwinden und zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Förderung konventioneller Energien beitragen.”
    Mit andern Worten: Wenn alle EU-Staaten die Kosten von EE tragen, hat auch keiner einen Konkurrenzvorteil, denn für alle ist es gleich teuer. Diese Überlegung verkennt, dass es einen Wettbewerb nicht nur innerhalb der EU gibt, sondern auch und vor allem gegenüber dem aussereuropäischen Ausland. Deutschland exportiert sehr viel nach China und in die USA. Es hilft Deutschland gar nichts, wenn auch Spanien unter hohen Energiepreisen leidet.
    Die Internationale Energieagentur hat im World Energy Outlook 2013 auf der Folie “*An energy boost to the economy?” vorausgesagt, dass der Anteil der EU an den exportierten energieintensiven Gütern bis 2035 um 10% sinken wird – wegen den hohen Energiepreisen in der EU.

    Allerdings werden die Energiepreise in der EU so oder so steigen – mit oder ohne mehr EE. Allzu hohe Energiepreissteigerungen sind aber für Teile der europäischen Industrie existenzgefährdend.
    Es ist nun überhaupt keine Lösung alle EU Länder zu teuren EE zu verdonnern, damit wenigstens kostenmässig alle gleich schlecht dran sind. Eine viel bessere und meiner Ansicht nach richtige Lösung wäre, dass alle energieintensiven Betriebe in der EU die gleichen Kosten-Ermässigungen erhalten wie das schon in Deutschland der Fall ist. Steigende Strompreise haben auf den Dienstleistungssektor meist nur wenig, bei energieintensiven Industriebetrieben aber existenzgefährdende Auswirkungen. Die EU sollte das kompensieren. Deutschland mit einer Klage wegen Wettbewerbsverzerrung zu drohen, weil Deutschland keine EE-Umlage von energieintensiven Betrieben verlangt, ist dagegen völlig falsch und bedroht letztlich nicht nur Deutschland sondern sogar die ganze Entwicklung zu mehr erneuerbaren Energien.

    Fazit: In der EU gibt es Kräfte, die die steigenden Energiepreise in der EU für bedrohlich halten. Dem kann man nicht dadurch begegnen, dass man alle Länder zu teuren EE verdonnert. Dieses Problem bekämpft man am besten durch EU-weite Strom-Preiserlässe für energieintensive Unternehmen.

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