Kein Markt und miese PR – Tierwohl am Ende

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Innerhalb von zwei Tagen gingen Anfang letzter Woche drei Jahre meiner Blog-Tätigkeit zum Thema Tierwohl den Bach runter. Da kann man schon mal frustriert sein. Natürlich kann man aus der Wut heraus auch erstmal die Verbraucher hauen, die das offensichtlich nicht bezahlen wollten. Meiner Meinung nach ist das aber viel zu einfach.

Alles begann mit der Meldung über das Ende der Aktion Tierwohl von Westfleisch. Das kam nicht gerade aus heiterem Himmel. Obwohl die unter diesem Label produzierten Produkte im Vergleich zur konventionellen Konkurrenz gerade mal 10% mehr kosteten, hielt sich der Erfolg in Grenzen. Meine Einschätzung dazu aus März 2013:

Insgesamt wirken diese Änderungen für mehr Tierwohl auf mich durchaus positiv – zumindest die Richtung stimmt. Bezüglich der Kastration bin ich aus genannten Gründen (Anmerkung: Auf den ersten Blick natürlich ein Plus an Tierwohl, wenn die Eber nicht mehr kastriert werden. Aber wenn der Druck im Kessel steigt und Tiere sich an ihresgleichen abreagieren, hat das mit Tierwohl nichts mehr zu tun) skeptisch. MIT Kastration durch Betäubung oder Impfung hätte ich spontan besser gefunden. Vielleicht verirrt sich ja jemand hier her, der dazu ein paar Erfahrungen aus der Praxis beisteuern kann. Wirklich interessant finde ich die Anlage zur Betäubung und Schlachtung. Hier können Fehler gar nicht genug minimiert werden. All die Bemühungen um Tierwohl sind für die Katz, wenn es in dieser letzten Instanz Probleme gibt. Bei der Absetz-Problematik würde mich wirklich mal die praktische Umsetzung interessieren, in wieweit sich das auch so umsetzen lässt. Im Glossar liest sich das ja recht nett.

Genau einen Tag später musste ich dann von der Klemme des Tierschutz-Labels lesen. Auch hier ist der Erfolg bescheiden, die Verbreitung übersichtlich, allerdings gab es bei der Schweine-Variante wohl auch einige Probleme im Managament. In der Meldung bei Topagrar ist zu lesen, dass feste Liegeflächen ohne Spaltenböden Probleme verursacht haben sollten, weil Tiere dort Kot absetzten, um sich dann reinzulegen. Mal ernsthaft: hätte man das nicht weit vorher – schon bei der Planung – merken müssen? Beim Privathof-Geflügel wurde zu Beginn auch vieles ausprobiert, allein schon bei den Sitzstangen, um das beste Material und die beste Form zu entwickeln. Bringt ja nichts, wenn die Hühner ständig von der Stange purzeln. Zusätzlich wurde das Konzept noch wissenschaftlich durch die LMU München überprüft.

Wenn Du ein Geheimnis bewahren möchtest, nenne es Pressemitteilung

Kommen wir damit mal zur leidigen Frage, wer denn nun verantwortlich ist für diesen soliden Doppel-Flop. Natürlich tauchte dabei zuerst der Verbraucher auf, der wolle eben nicht zahlen, sondern alles nur billig haben. Das stimmt sicherlich zu einem gewissen Teil. In Diskussionen mit Landwirten fiel mir dann auf, dass die Aktion Tierwohl kaum bekannt war. Entweder hatte man noch nie davon erfahren oder verwechselte sie mit der Initiative Tierwohl, die erst ab nächstem Jahr mit einem anderen Konzept bzgl. der Bezahlung startet. Wenn nicht mal unter Landwirten bekannt ist, was in ihrer Branche passiert, kann man dem Verbraucher dann ernsthaft einen Vorwurf machen? Ähnliches erlebte ich auch beim Privathof-Geflügel von Wiesenhof, welches unter dem Tierschutz-Label läuft. Immer wieder fragten mich Menschen über Twitter, weil sie davon noch nie gehört hatten und daher meine Tweets nicht immer verstanden.

Schluss mit PR

Ich glaube daher, dass wir es hier tatsächlich mit einem gewaltigen PR-Flop und weniger mit einem Verbraucher-Flop zu tun haben. Die Strategie der steifen bis leblosen Presse-Mitteilung mit allen Schlagwörtern der aktuellen Hipster-Charts von “nachhaltig” über “aktuelle Umfragen haben ergeben…” bis zu Tierwohl haben nichts mit Kommunikation zu tun, wenn man ernsthaft Menschen erreichen will. Stattdessen sollte an die Stelle der PM das Erklären treten. Erklärt Menschen, wieso das eine gute Sache ist und was es mit den Verbesserungen auf sich hat. Wieso sollen wir mehr bezahlen, wenn wir ohnehin den besten Standard haben wie immer wieder betont wird? Also weg mit der PR und her mit Erläuterungen. Ob das klappt, steht in den Sternen, schlechter laufen kann es aber nicht, schließlich sind Menschen nicht doof. Denen kann man auch mal einen längeren Text in ganz normalem Deutsch zumuten.

Zukünftige Forderungen haben es schwer.

Zu guter Letzt sehe ich noch ein weiteres, für die Zukunft ganz erhebliches Problem, unabhängig von den Gründen des aktuellen Scheiterns. Weder die Aktion Tierwohl noch das Tierschutzlabel waren die ersten derartigen Ideen oder Konzepte, um den Verbrauchern Alternativen zu präsentieren. Sämtliche Versuche aus der Nische heraus zu agieren sind allerdings auch in den letzten Jahrzehnten schon gescheitert. Bitter am aktuellen Ende ist natürlich, dass diese Programme durchaus Standard-Potential hatten, also nicht von Beginn an als Nische für reiche Städter mit Fetisch für bäuerliche Landwirtschaft gedacht waren.

Darüber hinaus hält die erfolgreiche Fortsetzung dieser Tradition des Scheiterns damit nicht nur den PRlern bzw. generell Kommunikatoren ihre Bedeutung vor Augen, sondern lässt auch sämtliche Forderungen an die Industrie in der Diktion, dass diese doch mal endlich was tun müsse, ziemlich albern erscheinen.
Die Industrie hat ja gemacht.

Jetzt bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass Wiesenhof sich davon nicht beeindrucken lässt und weiter dranbleibt.


Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

29 Kommentare

  1. Das ist echt schade. Ich habe bei dir über diese Aktionen gelesen und hatte das immer im Hinterkopf. Dachte, ich stolpere beim Einkaufen sicher mal drüber und hatte mir vorgenommen, dass ich die Produkte dann auf jeden Fall mal mitnehme und probiere. Aber mir sind die nie begegnet. Das finde ich komisch. Gehe in verschiedene Supermärkte. Nirgendwo bin ich drüber gestolpert. Hat der Flop vielleicht auch damit zu tun? Hab auch nirgendwo Werbung gesehen dafür. Waren das vielleicht nur Alibi-Projekte, die gar nicht groß beworben werden sollten?

    • Hallo Brynja,

      mit Deinem Kommentar fasst Du die Situation schon recht gut zusammen. Besonders der Tierschutzbund hat immer sehr genau betont, dass das Tierschutzlabel den Fleischkonsum keineswegs fördern, sondern eben nur eine Alternative darstellen soll. Ich vermute mal, dass dieses verhaltene Agieren auch etwas mit den Mitgliedern zu tun hat. Wären wohl nicht sonderlich begeistert gewesen, wenn man offen mit Wiesenhof oder Vion kooperiert und das noch stolz kommuniziert. Auch der Lebensmitteleinzelhandel spielt hier eine Rolle, schließlich kann man nichts kaufen, wenn es nicht im Sortiment ist. Die praktisch kaum vorhandene Verbreitung trägt auch nicht gerade zum Konsum bei. Alibi-Projekte waren das keineswegs, dafür waren der Einsatz und die Vorleistung einfach zu groß.

  2. Man kann aber auch nicht wissen, inwieweit das Scheitern beabsichtigt war… Denn nun kann man freudig verkünden, es immerhin versucht zu haben und muss keine weiteren (sehr wahrscheinlich “zu teuren”) Bestrebungen anstellen. Mir persönlich kommt die Aktion viel zu halbherzig rüber, als dass sie ernst gemeint wäre.

    • Hallo Herr Jansen,

      bezüglich dieser Bedenken kann ich Sie zumindest für die Geflügel-Variante beruhigen. Ich habe mir das Privathof-Geflügel ja real angeschaut und mich mit dem Tierarzt, der es bei Wiesenhof angestoßen und durchgeführt hat, unterhalten. Wäre es nach ihm gegangen, wäre das System schon Standard. Sie müssen auch bedenken, was dem Produkt vorausging. Erstmal wurde geplant, dann mit Tieren im Stall einiges ausprobiert, BEVOR die eigentlichen Studien der LMU über zwei Jahre starteten. Eine solche Vorleistung geht man nicht ein, wenn man so ein Projekt nur aus Alibi-Gründen betreibt.

  3. Lieber Sören,

    ich frage mich, ob du die Richtigen schimpfst. Disclaimer: Ich zähle mich zur PR-Branche. Aber das macht mich halt auch sensibel. Und für mich überschätzt du die Rolle der PR. Was hätten denn die “Werber” tun sollen? Ein Produkt, das nicht “zündet”, das “der Konsument” nicht will, kann auch durch noch so gute Kampagnen nicht in den Markt gedrückt werden. — Ich habe auch keine Lösung, aber ich denke, es ist wirklich der Preis: das Fleisch liegt da, hier 20 Cent billiger als dort daneben. Selbes Huhn, scheinbar, selbes Schwein. Warum soll ich 20 Cent oder gar ‘nen Euro mehr bezahlen, wo beide Tiere doch schon tot sind? Es ist für Konzerne auch sehr schwer, zwei Marken mit ein und demselben Produkt zu führen, eine Premium, eine Basic. Der Premiumwert ist ein vermindertes Tierleid. Das ist an der Ladentheke nicht entscheidend, und der Konzern kann das eine nicht zu hoch pushen, weil er sonst am Image des anderen kratzt.
    LG Josef

    • Lieber Josef,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Immer schön, wenn jemand aus der Branche vorbeischaut. Dass hier die Produkte eben nicht gewollt wurden, ist genau die These, die ich auf Basis meiner Erfahrungen als Blogger eben so nicht bestätigen kann, siehe dazu auch Brynjas Kommentar aus Sicht einer Konsumentin. Es haben viele Menschen Interesse an dem Produkt gezeigt, es teilweise auch erst durch meine Artikel gekauft. Von der Aktion Tierwohl erfuhr ich wiederum erst durch Leser, die mir davon erzählten. Den Rest habe ich ja schon im Artikel beschrieben. Man kann schlecht was kaufen, wenn man nichts von dessen Existenz weiß. Interesse alleine hilft nicht.

      Versteh mich bitte nicht falsch: ich behaupte nicht, dass mit einer anderen PR alles anders gekommen wäre, aber so ein bisschen mehr Leben kann der Kommunikation nicht schaden. Und überhaupt: wieso finde ich im TV immer wieder debile Bruzzler-Spots, aber keinen Spot über das Privathof-Geflügel?

      Den Mehrpreis lediglich mit vermindertem Tierleid zu begründen, greift zu kurz. Tiere, nehmen wir mal Hühner, die einfach fitter sind, weniger Verletzungen durch Liegen haben und über stabilere Knochen verfügen sind einfach gesünder. Tiere, di sich beschäftigen können, picken weniger auf Artgenossen rum. Hier lässt sich die Notwendigkeit für AB also nochmal reduzieren.

      Etwas zu kommunizieren ohne dabei die anderen Produkte aus dem Konzern nicht schlecht zu reden ist genau die Herausforderung, die ich für die PR sehe. Das klappt aktuell selten bis gar nicht. Wie Du eben schon schreibst: wieso soll ich mehr Geld bezahlen? Ist eh alles gleichermaßen sicher und tot. Aber das kann keine Basis für Veränderungen sein.

      • “Etwas zu kommunizieren ohne dabei die anderen Produkte aus dem Konzern nicht schlecht zu reden ist genau die Herausforderung, die ich für die PR sehe.”

        Denke auch, dass genau da das Problem liegt. Die Branche hat zwangsläufig Angst davor, sich damit ins eigene Knie zu schießen. Davor, dass der Verbraucher nicht denkt: “Toll, das ist ja genau, was ich mir wünsche, das unterstütze ich sofort.” sondern dass der Verbraucher denkt: “Also quält ihr die Tiere jetzt nur noch bei allen anderen von euren Produkten? Sch…firma, kauf ich nie wieder.”

        • Kümmert sich denn in der PR-Branche überhaupt jemand um die Menschen, also richtig mit Erklären wie auch gleichermaßen mit Zuhören? Wie kommen eigentlich diese Umfragen zustande, in denen ständig relativ viele Menschen ihre Bereitschaft äußern, dass sie für mehr Tierwohl auch mehr bezahlten? Ich kann nicht sagen, ob die von Dir genannten Befürchtungen stimmen, aber vielleicht wäre das jetzt ein guter Zeitpunkt, um einiges radikal zu ändern und richtig zu kommunizieren. Warum wird nicht klar gesagt, dass hier ein Angebot steht, das bei guter Akzeptanz sogar Standard werde? Weniger funktionieren als die letzten Versuche kann es ja nicht.

  4. Ich sah das “Privathof-Geflügel” mal just in dem Augenblick in einem Supermarkt, als eine Freundin von mir nach ein paar abgepackten Hühnerteilen in der Kühlung greifen wollte. Meinen Hinweis auf das Privathof-Geflügel tangierte sie mit der Feststellung: “Von Wiesenhof! Da kaufe ich nichts – egal was die mir erzählen. Hinterher kommen dann doch wieder irgendwelche Schweinereien ans Licht”. Und in der Tat finden sich im Internet einige hässliche Berichte über das “Privathof-Geflügel”, die von einer “Soko Tierschutz” aufgedeckt wurden.
    http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/altoetting-gefluegelmast-vorwuerfe-100.html

    • Hallo Mona,

      ich bin mir gerade nicht so sicher, was ich von den aufgedeckten Missständen halten soll. Um ehrlich zu sein glaube ich den Behörden eher als den Tierschützern. Unabhängig davon bietet das Konzept deutlich mehr Tierwohl als es die konventionelle Variante vermag. Meine subjektiven – und damit nicht erheblichen – Eindrücke wurden dann ja auch wissenschaftlich belegt. Dass das Management dafür essentiell ist, habe ich ja auch immer wieder betont.

    • Um mal auf die Vorwürfe der sog. Tierschützer einzugehen.

      Ich kann mich an folgendes erinnern: Es ist zutreffend, dass ein Auftragsmäster von Wiesenhof mindestens zweimal negativ aufgefallen ist. Ob das jetzt ein Privathofmäster war, kann ich nicht genau sagen. Wiesenhof hat aber auf jedenfall, nachdem die Mängel vom Landwirt nicht beseitigt wurden, den Vertrag mit ihm gekündigt. Darüber wurde in der Presse berichtet.

      Bei dem zweiten Fall, der im Artikel geschildert wird, konnten die Vorwürfe durch die Behörden nicht bestätigt werden.

      Abschließend bitte ich zu beachten, dass es der “Soko Tierschutz” nicht daran gelegen ist, die Tierhaltung zu verbessern, sondern abzuschaffen, dass heißt das wir von solchen Vereinen nie eine objektive Berichterstattung erwarten brauchen.

  5. @Sören Schewe & @Lederstrumpf

    Mag schon sein, dass sich hier einige Tiermäster sich nicht an das vorgegebene Konzept gehalten haben. Ich frage mich allerdings, warum diese von Wiesenhof nicht besser überwacht wurden. Und was den Preis betrifft, da langt Wiesenhof kräftig zu. “Während bei der Ganztier-Vermarktung der Preisaufschlag im Vergleich zu konventioneller Ware ca. 30 Prozent beträgt, liegt er bei der Teilevermarktung deutlich darüber: Privathof-Schenkel sind ca. 50 Prozent teurer als konventionelle. Fürs Filet muss der Kunde 70 Prozent mehr zahlen.” Dafür bekommt man oft schon Discounter-Bio-Hühnerfleisch. Das muss zwar nicht so strenge Standards erfüllen wie das was in Bioläden verkauft wird, aber vermutlich höhere als das Privathof-Geflügel von Wiesenhof.

    Quelle: http://lebensmittelpraxis.de/handelspartner/10063-teile-vermarktung-bei-privathof-gefluegel.html

    • Was Lebensmittel-Standards angeht, gibt es nicht sonderlich viel Spielraum. Da ist es dann auch egal, ob wir über Bio oder konventionell reden. Wieso Du Bio-Discount-Fleisch für besser hälst, erschließt sich mir nicht. Auch Deine Aussage, dass Wiesenof beim Preis kräftig zulange, ist schon reichlich schräg. Wie ich im Artikel schon schrieb: bei dem Konzept ging es nicht um das Bedienen weniger zahlungskräftiger Stadtmenschen. Das hat Wiesenhof in der Vergangenheit mit ihrem Weidehähnchen probiert, das mal eben das 4-fache kostete. Unnötig zu erwähnen, dass es floppte. Letztlich hat dem Konzept auch die Freiland-Haltung das Genick gebrochen, weil zu der Zeit die Vogel-Grippe auftauchte.

  6. @Sören Schewe

    “Was Lebensmittel-Standards angeht, gibt es nicht sonderlich viel Spielraum. Da ist es dann auch egal, ob wir über Bio oder konventionell reden.”

    Nun, für was wurden dann die ganzen Labels geschaffen? Beim Tierschutz kann man bei der Prämienstufe wohl von einem ähnlich guten Standard ausgehen wie bei Bio, nicht jedoch bei der Einstiegsstufe.
    Unterschiede gibt es allerdings bei der Fütterung der Tiere. So werden bei konventioneller Haltung in erster Linie konventionell angebaute Futterpflanzen verfüttert, die auch genverändert sein dürfen. Außerdem ist ein großzügigerer Einsatz von Medikamenten erlaubt. Während Biobetriebe ökologische Futtermittel verfüttern müssen, die oft vom eigenen Betrieb stammen. Hier noch mal die Unterschiede:
    http://www.uni-giessen.de/cms/kultur/universum/archiv/universum-2007/bio-was-ist-das

    Du schreibst: “bei dem Konzept ging es nicht um das Bedienen weniger zahlungskräftiger Stadtmenschen. Das hat Wiesenhof in der Vergangenheit mit ihrem Weidehähnchen probiert, das mal eben das 4-fache kostete. Unnötig zu erwähnen, dass es floppte.”

    Die Zahlungskräftigen können sich sowieso das teurere Biofleisch leisten. Wer jedoch auf das Geld achten muss, für den stellt ein Mehrpreis von 30-70% mit Sicherheit eine Hürde dar. Da überlegen sich die Leute schon ganz genau für was sie zahlen.

    Ich kann Deinen Frust bezüglich des Tierwohls ja nachvollziehen, aber was soll man von solchen Zuständen halten, wie sie hier im Video gezeigt werden?
    http://www.youtube.com/watch?v=yVf7pY3qUw4

    • Hallo Mona,

      ich wiederhole es nochmal: wie gut oder schlecht die Einstiegsstufe gegenüber der konventionellen Variante ist, weiß ich ziemlich gut. Sie IST besser, das habe ich nicht nur subjektiv so wahrgenommen, das belegen auch die Studien dazu. Dass das Management natürlich stimmen muss, ist kein Geheimnis.

      Beim Einsatz von GMO-Pflanzen als Futtermittel sehe ich keine rationalen Probleme, weil mir keine bekannt sind (was nicht an mangelnder Forschung liegt).

      Dass in der konventionellen Landwirtschaft mehr Medikamente erlaubt sind, ist eine Null-Aussage. Oder sagt das etwas aus, was sich mir noch nicht erschlossen hat? Tiere werden nicht gesünder, weil Medikamente oder auch Antibiotika teils verboten oder seltener erlaubt sind. In Untersuchungen schneiden Bio-Tiere beim Gesundheitsstatus in Regel schlechter ab. Wie das mit dem Tierschutzgesetz zusammenpasst, dem zufolge Leid von kranken Tieren abzuwenden ist, darüber sollte man tatsächlich mal diskutieren.

      Kommen wir mal zu Deinem Argument der armen Menschen: die gibt es, keine Frage. Ich glaube aber nicht, dass 99% aller Geflügelfleisch essenden Menschen sich einfach nichts anderes leisten können. Vielleicht hätte man nach einiger Zeit noch an der Preisschraube nach unten drehen können, wenn sich das System in größerem Stil eingespielt hätte. Aber danach sieht es gerade nicht wirklich aus.

      Was das Video angeht: Du kannst dem dort Gezeigten natürlich mehr vertrauen als mir. Damit habe ich kein Problem. Dass Tiere immer mal wieder sterben oder einfach tot umfallen, weiß eigentlich jeder, der sich damit ein bisschen auskennt. Mich würde aber wirklich brennend interessieren wie diese Bilder entstanden sind – bestimmt nicht bei einem offiziellen Besuch. Und wie Tiere auf Fremde reagieren, weiß jeder, der schon mal in einem Stall war.

      (Hinweis: habe diesen Kommentar nach Veröffentlichung noch bearbeitet)

    • @Mona

      Ich werde mal auf das von dir verlinkte Youtube-Video am Ende eingehen. Allerdings werde ich danach, auf weitere Verlinkungen solcher Art, nicht mehr antworten.

      Wer will es dem Zuschauer verdenken, dass er bei dieser ernsthaft klingenden Stimme und den dazu gezeigten toten Tieren in Empörung verfällt.

      Schauen wir uns das mal im Detail an:

      Es liegen tote Tiere herum/ bzw. Tiere denen es nicht so gut geht, gesagt wird das innerhalb von 40 Tagen 474 Tiere das Zeitliche gesegnet haben, von ursprünglich 17.900 Tieren. Das ergibt eine Todesrate von etwa 2,6%. Gar nicht mal so schlecht im Vergleich zu diesen Zahlen http://www.nationalchickencouncil.org/about-the-industry/statistics/u-s-broiler-performance/ Oder? Tierverluste bedeuten Einkommensverluste für den Tierhalter. Sind aber nicht zu vermeiden, aber man sollte versuchen sie auf eine Minimum zu reduzieren.

      Über die Einstreu wird sich mokiert. Es bestehe aus erheblichem Teil aus altem Kot. Nach Ende der Mastdauer ist das auch normal. Was man auf jeden Fall sieht ist, dass die Einstreu trocken ist. Es ist also davon auszugehen, dass regelmäßig auf feuchte Stellen nachgestreut wurde. Staubbaden, eine natürliche Verhaltensweise von Hühnern, ist somit möglich.

      Das nächste was angeprangert wird ist, dass auch nachts das Licht im Stall brennt. Das ist hier aber schlecht zu beurteilen. Vielleicht befindet sich das Lichtprogramm gerade in der Dämmerungsperiode In der Regel wird kurz nach Einstallung erstmal Dauerlicht gegeben. Vielleicht ist das der Fall. Nichts genaues weiß man also, außer das die Stimme des Sprechers darüber sehr besorgt klingt.

      Gib mir eine Kamera und ich mache aus jedem Stall entweder eine Zombieapokalypse oder Disneyland 😉

      • Danke Dir für das Aufschlüsseln des Videos. Was mir dazu noch einfiel: das Streicheln des auf der Seite liegenden Tieres ist pures Theater. Entweder erlöse ich ein Tier von seinen Qualen, dann mache ich das kurz und schmerzlos – oder ich belasse es beim Filmen. Tierhalter gehen normalerweise mehrmals am Tag durch und kontrollieren bzw. entfernen tote Tiere.

  7. @Sören Schewe & @Lederstrumpf

    Wie schon gesagt, ich verstehe den Frust über das gescheiterte Vorhaben eines besseren Tierwohls. Wie es scheint liegt es aber nicht nur an der mangelnden PR, sondern auch daran, dass die Maßnahmen nicht umfassend genug waren. Auch wenn ich jetzt angegriffen werde, weil ich das Video verlinkt habe, so solltet Ihr aber bedenken, dass sich das vermutlich viele potentielle Konsumenten der Wiesenhofprodukte angesehen haben, denn wie sonst ließe sich der fehlende Markt erklären? Vielleicht ist das nicht richtig rübergekommen, aber ich suche lediglich eine Erklärung für das Scheitern. Normalerweise nimmt man in so einem Fall eine gründliche Analyse vor und überlegt, was man in Zukunft besser machen könnte.

    • Manchmal bist Du echt putzig. Du fragst am Ende Deines letzten Kommentars, was man denn von solchen Zuständen wie den dort gezeigten halten solle, obwohl – wie Lederstrumpf erklärte – gar nichts Schlimmes zu sehen war. Wenn es Dir lediglich um das Suchen oder Finden von Erklärungen geht, hättest Du das sofort so schreiben sollen. Du hast schon recht, es ist nicht richtig rübergekommen.

      Wiesenhof steht schon lange im Fokus von Tierschützern und -rechtlern. Nicht, weil das der böseste Konzern überhaupt ist, sondern der größte. Zudem ist hier alles an einem Fleck – vom Ei bis zum Gefrier-Schnitzel. Das macht Angriffe auch unter dem PR-Aspekt interessant. Ob ausgerechnet das Video ausschlaggebend war, kann ich nicht sagen. Sollten die Bemühungen der Aktivisten wirklich einen Flop beabsichtigt haben, wäre das natürlich völlig bescheuert. Wer traut sich jetzt noch an ein ähnliches oder sogar genau das Konzept?

      • “Manchmal bist Du echt putzig.”

        Das Kompliment gebe ich gerne zurück! Ich dachte es wäre von vornherein klar, dass sich die Kommentare auf Deine Aussage in der Überschrift und im Post beziehen, für die Gründe gesucht werden sollten. Und ja, Wiesenhof ist schon früher in Verruf geraten und aus diesem Grund nicht mehr recht glaubwürdig. Beim nächsten Projekt würde ich ihnen empfehlen, den Firmennamen zu ändern.

        • Und dann kommt irgendein Dödel um die Ecke, der das irgendwie rausgefunden hat und schreit “Vertuschung in der Agrar-Industrie!!!” Außerdem wäre es natürlich auch ein Eingeständnis an Oberflächlichkeit. Ich bin jetzt auch kein irre großer Freund der konv. Mast, diese Alternative finde ich aber objektiv gesehen gut. Nicht perfekt, aber schon nah dran, immer den Standard im Blick. Ich hoffe einfach, dass Aufklärung und Erklärung über knackige Slogans siegen. Irgendwann.

  8. Hallo Sören,

    ich möchte an unsere Diskussion gestern bei Twitter anknüpfen. Vielleicht geht man die ganze Sache mit den Labels falsch an. Das Label ist ja immer etwas zusätzliches, was der Verbraucher kennen muss und es muss auch von den ganzen anderen Bezeichnungen, Qualitätssiegel usw. unterscheiden.

    Bei den Eiern hat man es mit Erfolg anders gemacht. Da wurden Kategorien für das Haltungssystem definiert und die mussten auf alle Eier geprägt werden:

    0 = Ökologische Erzeugung
    1 = Freilandhaltung
    2 = Bodenhaltung
    3 = Käfighaltung

    Hat gut funktioniert und man hat die unterste Kathegorie dann mit einer Übergangsfrist abgeschafft.

    Der Verbraucher muss sich jetzt nicht mit verwirrenden Begriffen “Qualitätseier” … herumschlagen, sondern sieht auf den ersten Blick was er hat.

    Wie müssten diese Kathegorien bei Fleisch aussehen?

    • Hallo Andreas,

      danke für Deinen Kommentar. So ganz war mir das gestern tatsächlich nicht klar auf Twitter. Wenn ich mich jetzt mal an dem Eier-System orientiere, sähe das für mich so aus:

      0 = ökologische Tierhaltung
      1 = Bioland/Demeter usw.
      2 = Tierwohl-Produkte
      3 = konventionelle Tierhaltung

      Natürlich entbindet ein solch einfaches System nicht von der Notwendigkeit zusätzlicher Informationen, wenn man wirklich wissen will, was man da kauft und wo dort die Vor- und Nachteile liegen. Grundsätzlich gilt, dass jedes System Mist ist, wenn das Management versagt. Davon ab gibt es natürlich auch innerhalb eines jeden Systems Vor- und Nachteile. Ich wüsste auch nicht, welches System dadurch später rausfallen sollte. Erklärungen für ein besseres Verständnis für Tierhaltung ersetzt das sicher nicht.

      • Hallo Sören,
        Danke für die Antwort.
        Ich würde mehr Abstufungen bei den Tierwohlprodukten vorschlagen, um Landwirten den Umstieg von rein konventionell zu ermöglichen. Die Kriterien könnten dann nach und nach angepasst werden.

        Allerdings sind zu viele Kategorien auch nicht sinnvoll. Das Bioland/Demeter würde ich unter Bio zählen. Zusätzliche Infos und die Kriterien müssen für die interessierten Verbraucher natürlich zur Verfügung stehen.

        • Du hast im zweiten Abschnitt schon genau richtig erkannt, dass zu viele Abstufungen in niemandes Interesse sind. Sowas führt nur zu Verwirrung. Inhalte – auch für Laien – verständlich gibt es auch jetzt schon. Auf der Seite der FNL gibt es viele Broschüren, die die gängige Praxis in der Landwirtschaft sachlich erklären. Das reicht von Grundlagen der Nutztierhaltung über Aspekte der Nachhaltigkeit bis hin zu Regelungen im Umgang mit und bei der Anwendung von Arzneimitteln.

  9. @Studienergebnise und Schlussfolgerungen Label-Produkte: “keine” Sau interessiert sich für “Tierschutz”???? Aus AID-Newsletter Ausgabe Nr. 40/14 vom 01.10.2014 (http://www.aid.de/presse/aktuell.php?mode=beitrag&id=7215)

    @Kategorisierung von Haltungssystemen á la Legenehennenhaltung: das würde ja bedeuten, “Öko” wäre immer gut für die Tiere, was es definitiv nicht ist, ebenso wenig wie “konventionelle” Haltung (immer) schlecht sein muss. Warum denkt man nicht vom Tier aus und orientiert sich an sog. Tierwohlindikatoren …. ?
    Außerdem: im Gegensatz zur Geflügelhaltung sind kaum Modulställe im Einsatz. 90 % der Schweine haltenden Betriebe in Europa stehen in sog. bäuerlichen Familienbetrieben; also seit Generationen gewachsenen Betrieben mit sehr, sehr unterschiedlichen Stallbausystemen je Betrieb.

    • Ich glaube auch nicht unbedingt, dass die Tierwohl-Label an fehlendem Interesse gescheitert sind. Es sind vielmehr zu viele Label. Es gibt ja mittlerweile für jede einzelne verdammte Sparte ein eigenes Label. Das Problem dabei taucht ja auch in der Mitteilung auf: statt einer größeren Verbreitung gibt es gegenseitige Konkurrenz. Und wenn wir mal ehrlich sind: es blickt keiner mehr durch. Konventionell, Bio (mit den ganzen Abstufungen von Discounter bis Demeter), Tierschutz-Label, Aktion Tierwohl, Regional-Label usw. usf.

      Mal ehrlich:

      WTF?

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